Die von der Balearen-Regierung angeordnete temporäre Enteignung von 56 leerstehenden Wohnungen großer Immobilienbesitzer kann vorerst weiter ihren Gang nehmen. Das balearische Oberlandesgericht hat das Gesuch eines Unternehmens abgelehnt, dieses Verfahren vorsorglich zu stoppen.

Laut den Verwaltungsrichtern hat das Unternehmen, das zwei der Wohnungen besitzt - eine davon in Llucmajor, eine andere in Santa Eularia des Riu (Ibiza) - kein Interesse geltend machen können, das "gegenüber den öffentlichen und allgemeinen Interessen überwiegt". Dem privaten Interesse stehe in diesem Fall das Interesse der Landesregierung entgegen, dem Wohnungsgesetz und der europäischen Grundrechtscharta Folge zu leisten. Letztere verpflichte die öffentliche Verwaltung dazu, die soziale Ausgrenzung und die Armut jener zu bekämpfen, die nicht über genügend Geld verfügen, um sich eine Wohnung leisten zu können.

Das Unternehmen hatte argumentiert, dass ihm durch die temporäre Enteignung "irreparabler und unumkehrbarer Schaden" zugefügt werde, weil die Wohnungen dann an Dritte vermietet würden. Außerdem sei man durch die Enteignung an einer wirtschaftlichen Tätigkeit gehindert und erleide einen Ansehensverlust bei den Kunden. Zudem könne die Verwaltung dann Eingriffe in den Wohnungen vornehmen.

Die Verwaltungsrichter hingegen kamen zu dem Schluss, dass zumindest bislang kein "irreparabler und unumkehrbarer Schaden" vorliegt, weil die bisherige Verordnung zunächst einmal nur das langwierige Enteignungsverfahren in Gang setzt. Unumkehrbar sei dies erst ganz am Schluss, wenn darüber entschieden wird, ob die Wohnungen für sieben Jahre zu sozialen Mietwohnungen werden und wie viel dem Eigentümer als Ausgleich dafür zusteht.

Gegen die nun bekannt gewordene Entscheidung kann vor dem selben Oberlandesgericht Einspruch eingelegt werden. Die Landesregierung will erklärtermaßen mit der Anfang März verabschiedeten Verordnung nicht nur sozialen Wohnraum gewährleisten, sondern etwa die Immobilienfonds dazu bewegen, ihre Wohnungen auf den Markt zu werfen.

Von den insgesamt 56 Wohnungen, die temporär enteignet werden könnten, befinden sich 27 auf Mallorca. Enteignet werden ausschließlich Eigentümer, die mindestens zehn Wohnungen besitzen, die mindestens seit zwei Jahren ungenutzt leerstehen. Die Balearen-Regierung hatte zuvor eine Liste von Immobilien erstellt, für die diese Kriterien zutreffen. Trotz großer Wohnungsnot auf den Inseln umfasst diese Liste rund 800 Objekte.