Es ist ein brisanter Fall von Gentrifizierung auf Mallorca: Ein deutsches Immobilienunternehmen im Luxussegment plant, ein Mehrfamilienhaus auf dem Gelände der ehemaligen Casa del Poble in Palma zu bauen.

James von Enden, Firmengründer und Manager des in Port Adriano angesiedelten Unternehmens "Perlentaucher" sowie von "Beachhaus Invest", erklärte der MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" per E-Mail: "Wir sind ein Immobilienunternehmen, das seit Jahren fest auf Mallorca verwurzelt ist. Wir haben das Grundstück einzig in der Absicht erworben, dort ein Wohngebäude zu errichten, das im Rahmen des Möglichen eine Verbesserung für das Stadtviertel bedeutet."

Allein: Ihm schweben keine Mietwohnungen vor, sondern Apartments, die zum Verkauf angeboten werden sollen – und die vermutlich nur für sehr zahlungskräftige Kunden erschwinglich sein werden. Dass dieses Vorhaben die Gemüter erregt, liegt in erster Linie an der bewegten Geschichte des Grundstücks.

Ein Treffpunkt für die Arbeiterklasse

Die Casa del Poble, das "Haus des Volkes", wurde den Arbeitervereinen 1924 von dem berühmten Financier Joan March gestiftet: als Sitz für die Gewerkschaften. Dort fanden nicht nur Versammlungen statt, sondern auch Vorträge, Schulungen, Theater,- und Choraufführungen; neben einer Aula gab es auch eine Bibliothek. Für den ehemaligen Schmuggler Joan March war die großzügige Geste ein cleverer Schachzug, wie der Historiker David Ginard dem Onlinemedium "elDiario.es" erklärte: "Er war daran interessiert, das Image eines "modernen Kapitalisten" zu vermitteln."

Mit dem Treffpunkt der Arbeiterklasse war es 1936 beim Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs vorbei. Die Anhänger Francos machten sich die Symbolik dieser und anderer "Casas del Pueblo" zunutze und zweckentfremdeten sie ganz gezielt: Aus dem einstigen "Haus des Volkes" wurde zunächst der Sitz der Falange, einer faschistischen Organisation. Die Falangisten sollen dort auch Anhänger der Republik gefoltert haben. Ab 1940 diente das Gebäude dann als Schulungszentrum für die Gewerkschaften des Franco-Regimes.

Die Casa del Poble in Palma. Wikimedia

Unter merkwürdigen Umständen wurde das ursprüngliche Gebäude dann 1975 abgerissen: Die Stadt behauptete, es sei nur mehr eine Ruine gewesen. Mitglieder des Vereins "Amics de la Casa del Poble" widersprechen dem, da die Quellen dies nicht belegen würden. "Der Abriss des Gebäudes im Januar 1975 muss auch in diesem Sinne verstanden werden: nämlich als Versuch, das kollektive Gedächtnis der Arbeiter zu zerstören", meint der Historiker Ginard in "ElDiario.es".

Erinnerungsarbeit oder Profit?

Die im Verein zusammengeschlossenen Anwohner fordern, dass eben jene Erinnerungsarbeit weiter gepflegt wird und verlangen die Rückgabe des Grundstücks in öffentliche Hände. Auch Von Enden ist der Protest zu Ohren gekommen. Dem "Diario de Mallorca" erklärte er dazu: "Ich habe tiefen Respekt vor den Gründen, aus denen die Anwohner wütend sein könnten."

Pere Vicenç von den Amics de la Casa del Poble sagte der Onlinezeitung "ElDiario.es": "March stiftete die Casa del Poble unter der Bedingung, dass sie den Arbeitern zugute komme. Das aktuelle Projekt dient dem Profit und wird die Lebensbedingungen der Arbeiter verschlechtern, die aus dem Viertel vertrieben werden sollen." Der Ende Januar erschienene Artikel war im Übrigen noch davon ausgegangen, dass es sich bei dem Bauprojekt um Mietwohnungen handeln würde.

Im Jahr 2014 war das Grundstück vom Verteidigungsministerium in Privatbesitz übergegangen. Das 1.593 Quadratmeter große Gelände gehörte dann zunächst dem mallorquinischen Unternehmen Glicina S.L., das aber nicht so recht etwas damit anzufangen wusste, und es im vergangenen Sommer an "Beachhaus Invest" weiterverkaufte.

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Der Stadtrat hatte die Baugenehmigung am vergangenen 19. Oktober erteilt, aber eine Gruppe von Anwohnern legte im November Berufung ein, sodass die Entscheidung auf Eis gelegt wurde. Am Freitag, den 11. Februar, hat sich die Balearen-Regierung, wohl um hohe Entschädigungszahlung zu vermeiden, gegen die Rücknahme der Baugenehmigung ausgesprochen. Stattdessen, so der Lösungsvorschlag eines Regierungsausschusses zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs und des Franco-Regimes, solle der neue Eigentümer über eine Gedenktafel oder ein Interpretationszentrum auf dem Grundstück an die Geschichte der "Casa del Poble" erinnern. /bro