Buntes Immobilienprojekt an der Plaça Gomila in Palma de Mallorca: Ein Paradies, wenn man es sich leisten kann

Fünf der sieben Gebäude an der neuen, farbenfrohen Plaça Gomila in Palma sind fertig, bald ziehen die Mieter ein. Das Projekt von Architekt Guillermo Reynés könnte dem Viertel ein neues Leben einhauchen. Wenn es denn funktioniert

Patrick Schirmer Sastre

Patrick Schirmer Sastre

Selbst wenn man direkt davorsteht, wirkt es ein wenig, als seien die neuen Häuser hier mit Photoshop reingebastelt worden. Zu sauber sind sie, zu eindeutig unterscheiden sie sich in ihren leuchtenden Farben von der Melange aus Grau, Beige und Terrakotta der Gebäude, die die Plaça Gomila und die umliegenden Straßenzüge prägen.

Wohnzimmer einer Wohnung im blauen Gebäude

Eduardo Marquez // Theory4 / Wohnzimmer einer Wohnung im blauen Gebäude an der Plaça Gomila

Hier ist das Herzstück von Palmas Stadtteil El Terreno. Schon vor über hundert Jahren war das Viertel zwischen Bellver-Park und Hafen bei ausländischen Residenten beliebt. In den 60er-Jahren verwandelte sich die Gegend um den Platz in ein Ausgehviertel. Ab den 80er-Jahren folgte der Niedergang. Die Häuser verkamen. Das Projekt mit den farbenfrohen Häusern, die vom mallorquinischen Architekturbüro GRAS und dem weltbekannten niederländischen Büro MVRDV entworfen wurden, soll diesen Trend umkehren.

Wenn du dir das Paradies leisten kannst

Schräg gegenüber der Plaça treffen die Straßen Joan Miró und Robert Graves aufeinander – wohl die bekanntesten Mallorca-Auswanderer des 20. Jahrhunderts. Hier steht das blaue Haus – oder genauer: die blauen Häuser. Es sind acht sogenannte Townhouses – enge Reihenhäuser, die sich ihren Platz in der Höhe suchen. Direkt gegenüber prangt an einem Ladengeschäft ein Zitat, das der Schriftstellerin Gertrude Stein zugeschrieben wird „Komm nach Mallorca, wenn du das Paradies ertragen kannst.“ Und wenn du es dir leisten kannst. Vor über hundert Jahren verbrachte Stein eine Zeit lang in El Terreno.

In den blauen Häusern – die mit blauen Kacheln von Huguet aus Campos geschmückt sind – lebt man auf verschiedenen Stockwerken. Eine weiß getünchte Treppe, die mit einer Art Fischernetz abgesichert ist, windet sich um einen Schacht, der von ganz oben bis in den Keller reicht. Links und rechts gehen auf den verschiedenen Stockwerken die Zimmer ab. Ein Stockwerk für das Schlafzimmer, eines für die Küche. Ganz oben ist das Wohnzimmer. Von dort geht das letzte Stück Treppe hinauf zur Dachterrasse. Die Rohre, die durch das Haus führen, sind im Raum sichtbar. „Das ist Teil des Konzepts der blauen Häuser“, erklärt Guillermo Reynés. „Dieser industrielle Touch.“

Know-How im Bereich Stadtplanung

Der 45-Jährige ist Gründer von GRAS und gemeinsam mit den niederländischen Partnern verantwortlich für das Projekt. Bevor er sein Architekturbüro gründete, arbeitete er einige Jahre bei MVRDV. „Sie sind nicht nur Partner, sondern auch Freunde“, erklärt er. „Ich habe sie für dieses Projekt ins Boot geholt, weil sie sehr viel Know-how im Bereich Stadtplanung haben.“ Denn einen so bekannten Teil eines Viertels so radikal zu verändern, ist eine große Nummer. Vor allem, wenn es, wie bei Reynés, um die Heimatstadt geht.

Insgesamt sieben Wohnhäuser umfasst das Projekt. Finanziert wird es von einer einflussreichen mallorquinischen Familie, die mit ihren eher experimentellen, farbenfrohen Schuhen ein Vermögen gemacht hat. „Man hat uns viel Freiheit bei der Gestaltung gelassen“, sagt Reynés. Bunt und experimentell, wie die Häuser sind, passen sie doch zumindest zum Geist der Familie. Der Grund für diese Gestaltung sei aber ein anderer, so der Architekt. „Gomila ist ein bunt zusammengewürfeltes Viertel, sowohl von seiner Architektur als auch von den Einwohnern her. Das sollte sich im Design der Häuser widerspiegeln.“

Guillermo Reynés vom Architekturbüro GRAS

Guillermo Reynés vom Architekturbüro GRAS / GRAS

Der niederländische Einschlag finde sich etwa in dem Format der Townhouses oder bei den Fenstern auf Straßenhöhe im roten Haus wieder. „Es ist zu 50 Prozent mallorquinisch, zu 50 Prozent niederländisch“, sagt Reynés. Man müsse neue Sachen ausprobieren, zudem ginge es auch um etwas anderes: „Wir wollten modernen Wohnraum für verschiedene Lebensmodelle entwerfen.“ Von der Familie über den Singlehaushalt bis zu Wohngemeinschaften – hier sind ganz verschiedene Konstellationen möglich. Wenn denn das nötige Kleingeld vorhanden ist.

Hohe Nachfrage

Von 900 bis 2.950 Euro gehen die Preise, erklärt Isabell Öjner von Engel & Völkers. Das deutsche Immobilienunternehmen ist für die Vermarktung zuständig. Angeboten werden die Häuser und Wohnungen nur zur Langzeitvermietung. „Es gibt eine sehr hohe Nachfrage“, sagt Öjner. Das grüne Gebäude an der Plaça Gomila sei schon komplett vermietet. Im weißen Gebäude gegenüber, das als „Gomila Center“ das Herz des Projekts darstellt, sei nur noch eine Wohnung frei. Quasi fertiggestellt seien das blaue, das braune und das rote Gebäude. Der Einzug soll ab März möglich sein. Das sechste Gebäude, das gelb werden soll, muss noch gebaut werden. Das siebte wird derzeit renoviert. Es befindet sich neben dem Gomila Center und soll der Behindertenstiftung Esment Amadip für ein Wohnprojekt zur Verfügung gestellt werden. Im Untergeschoss ist ein Supermarkt für die Anwohner geplant.

Ohnehin entsteht eine breite Infrastruktur: Im blauen Haus eröffnet bald ein Blumenladen. Ein Bäcker soll folgen. Das italienische Restaurant ist schon in Betrieb, das moderne Café im grünen Haus auch. Den Anwohnern stehen ein eleganter Partyraum sowie ein Fitnessstudio zur Verfügung. Zudem verfügen manche Gebäude über Pools, die von allen Mietern genutzt werden können. Ein Community-Manager ist für Schlüssel und Hausfrieden zuständig.

Dachterrassen mit Duschen statt Pools im roten Gebäude an der Plaça Gomila

Dachterrassen mit Duschen statt Pools im roten Gebäude an der Plaça Gomila / Daria Scagliola

Ein Hof öffnet sich dem Viertel

Es soll aber bloß nicht der Eindruck entstehen, man wolle sich abschotten. Symbolisch dient dafür der Hof des weißen Gebäudes. Der Zaun ist tagsüber geöffnet. Guillermo Reynés hofft, dass im kommenden Sommer Menschen aus dem Viertel und Hausbewohner hier zusammenkommen. Nur nachts, da sollen die Pforten geschlossen werden. So viel Gated Community muss dann doch sein.

Bislang seien die Ausländer bei den Mietern in der Mehrheit, sagt Öjner. Vor allem Schweden lockt das Projekt. Die Nordeuropäer sind dem Viertel seit Langem verbunden, die schwedische Schule ist ganz in der Nähe. Ansonsten seien Festlandspanier, Deutsche und auch ein paar Mallorquiner unter den Kunden.

Diskotheken zu Wohnraum

Der Vorwurf der Gentrifizierung liegt schon seit Jahren über dem Projekt. Reynés weist ihn von sich. „Nehmen Sie etwa das weiße Gebäude. Früher waren das in Teilen Diskotheken. Wir haben Wohnraum geschaffen.“ Überraschende Schützenhilfe erhält er von Teresa Alonso. Die Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins begrüßt das Projekt grundsätzlich, da es Sauberkeit in das bis vor Kurzem noch heruntergekommene Viertel bringt. „Was die Preise angeht: Man sagt, es würden Marktpreise verlangt. Ich gehe mal davon aus, dass es stimmt, denn die Leute sind ja auch nicht dumm.“

Die neuen Häuser würden hoffentlich nicht dazu führen, dass woanders Anwohner vertrieben werden, sagt Teresa Alonso. „Noch gibt es im Viertel einige Häuser für Menschen mit unterschiedlichen Gehaltsklassen.“ Ohnehin müsse man noch abwarten, was die neuen Nachbarn angeht. „Soweit ich das beobachte, stehen die Häuser noch weitgehend leer.“

Ein Experiment

Guillermo Reynés geht die Treppe des blauen Townhouses herunter. „Ich könnte hier nicht leben“, sagt er lachend. „Ich habe zwei kleine Kinder.“ Auf der Straße angekommen. fragt er: „Und, liebst du die Farben der Häuser oder hasst du sie?“ Er macht eine kleine Pause. „Ich glaube, es gibt nur entweder oder.“

Die neue Plaça Gomila ist ein Experiment. Ob es gelingt, wird sich noch zeigen. Man merkt den Häusern und ihren Details an, dass die Architekten Freude bei der Gestaltung hatten: die verschiedenen Ebenen, die dazu einladen, dass die Bewohner interagieren. Originelle Einfälle, wie die Regenduschen auf den Dächern der roten Gebäude. Oder die mit Tageslicht durchfluteten Keller im gleichen Haus. Austausch und Privatsphäre, das Projekt bietet beides. Jetzt kommt es darauf an, was die Menschen, die hier einziehen, daraus machen.

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