Es muss ein unerwarteter Schlag gewesen sein, als Mallorcas einziges Zwei-Sterne-Restaurant Tristán in der vergangenen Woche erfuhr, künftig nur noch einen Stern führen zu dürfen. Die Presse-Mitteilung, mit der das Feinschmecker-Lokal aus Puerto Portals auf die Herabstufung rea­gierte, erinnert ein wenig an die SPD nach ihrer Wahlschlappe: Ein Dank an Sterne-Vergeber Michelin, „die immer zum Wohle des Gastes entscheiden und somit frische und neue Impulse freisetzen", heißt es dort. Den Blick also beharrlich nach vorne gerichtet, nur dass im Tristán kein Sigmar Gabriel das Ruder übernimmt, sondern das bewährte Tandem Gerhard Schwaiger (Küche) und Claudio Marini (Geschäftsführung) „vereint, hochmotiviert und mit der einen oder anderen Neuerung in das Jahr 2010 startet", wie es in der Mitteilung weiter heißt.

Derlei Zweckoptimismus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sternverlust nicht nur für das Restaurant, sondern für ganz Mallorca eine schlechte Nachricht ist. Sieben Sternelokale gab es vor wenigen Jahren noch auf der Insel, jetzt sind es nur mehr vier. Neben dem Tristán verlor auch das Restaurant Bacchus des Hotel Read´s in Santa Maria die Auszeichnung, wenn auch wohl bedingt durch einen Personalwechsel in der Küche. „Nach dem Weggang von Marc Fosh, der sieben Jahre lang den Stern verteidigt hat, war das fast zu erwarten", sagt Simone Wyse, Hoteldirektorin im Read´s. Felix Eschrich, Fosh´ Nachfolger im Bacchus, mag dennoch seine Enttäuschung nicht verbergen. „Das war schon eine bittere Pille zum Frühstück." Danach sei er erst mal mit seinen Hunden spazieren gegangen – nachdenken. Auch die Herabstufung vom Tristán empfindet er als schmerzlich. „Das Tristán war jahrelang das gastronomische Aushängeschild Mallorcas. Es ist sehr schade für die Insel, dass der zweite Stern jetzt weg ist", so der junge Deutsche.

Tomeu Caldentey, einziger Mallorquiner unter den Sterneköchen der Insel, ist zwar froh, nach dem Umzug seines Lokals Es Moli den Bou in das Hotel Protur an der Ostküste den Stern verteidigt zu haben. Doch sind die Sorgenfalten auf seiner Stirn nicht zu übersehen. „Das Michelin-Ergebnis ist eine ganz schlechte Botschaft für den Qualitätstourismus auf Mallorca", sagt Caldentey. „Eigentlich brauchten wir hier 15 oder 20 Sternelokale", sagt er – wissend, dass eine solche Aussage gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten reines Wunschdenken ist.

Caldentey hat am eigenen Leib erfahren, wie kompliziert es ist, ein Sterne-Restaurant profitabel zu führen. Die alte Mühle im abgelegenen Örtchen Sant Llorenç des Cardassar erzielte zwar viele „Romantik-Punkte", verursachte aber angesichts der drastisch zunehmenden Alkoholkontrollen schmerzlich hohe Taxi-Rechnungen. Mit dem Umzug in ein Hotel sehe er sich nun besser für die Zukunft gerüstet. „Die Gäste können etwas trinken und im Hotel übernachten", sagt Caldentey. Und auch sonst böte die neue Lage neben dem kulinarischen Angebot weitere Freizeitmöglichkeiten, die die Attraktivität eines Restaurant-Besuchs erhöhten.

Es ist kein Zufall, dass Sterne-Lokale zunehmend in Hotels zu finden sind. Das geschäftliche Risiko lastet dort auf breiteren Schultern. Das Restaurant Plat d´Or in der Fünf-Sterne-Herberge ArabellaSheraton in Palmas Nobel-Vorort Son Vida ist ein weiteres Beispiel dafür. Auch das Plat d´Or und sein Küchenchef Rafael Sánchez darf im kommenden Jahr weiterhin den Michelinstern führen. Dennoch ist auch für Sánchez nicht alles nur eitel Sonnenschein. Hohe Preise führten in der Krise zu weniger Gästen, und weniger Gäste führten zu noch höheren Preisen, um die Kosten zu decken, so der Küchenchef.

Hinzu kommt, dass selbst die gehobene Gastronomie auf Mallorca ein Saisongeschäft ist. Nicht nur Sterne-Restaurants wie das Es Racó des Teix des deutschen Kochs Josef Sauerschell im Tramuntana-Dorf Deià bleiben über die Wintermonate geschlossen. Auch für Spitzenlokale wie das Es Fum im St. Regis Mardavall Hotel oder entlegenere Gourmet-Treffs wie das Bens d´Avall zwischen Sóller und Deià wäre ein Winterbetrieb nicht rentabel.

Es sei zudem nicht so leicht zu vermitteln, dass 95 Euro für ein Sieben-Gänge-Menü zwar einerseits viel Geld seien, andererseits die verwendeten „Highclass-Produkte" aber so hohe Kosten verursachten, dass, wenn überhaupt, nur ein sehr kleiner Gewinn übrig bleibe, versichert Felix Eschrich aus dem Bacchus. Der Deutsche hat seine Enttäuschung über den Sternverlust mittlerweile verdaut, wie er sagt. Jetzt gehe es darum, gemäß der Tristán-Botschaft, nach vorne zu schauen und weiterzuarbeiten, um die Auszeichnung zurückzugewinnen. Er wäre nicht der erste Deutsche auf Mallorca, dem das gelungen ist. Josef Sauerschell hat in den 90er Jahren für das Restaurant El Olivo in Deiàs Luxushotel La Residencia den Stern erkocht und wieder verloren. Er musste gehen und holte sich im eigenen Lokal den Stern zurück.