Von Brigitte Kramer Sein Erstlingswerk schlägt alle Rekorde. „Die Kathedrale des Meeres" wurde in Spanien zwei Millionen Mal verkauft. Jetzt erobert der historische Roman des 48-jährigen Anwalts Ildefonso Falcones die Welt: In 30 Ländern wird seine 600 Seiten lange Geschichte aus dem Mittelalter im Laufe des Jahres erscheinen. In Deutschland führt der Roman seit vier Wochen die Bestsellerlisten an.

Man nennt Sie den spanischen Ken Follett. Ärgert Sie das oder ist das ein Kompliment?

Ich habe ?Die Säulen der Erde´ sehr gern gelesen, ich mag generell historische Romane. Follett ist für mich aber kein Vorbild.

Haben Sie seit dem Erscheinen des Romans vor zwei Jahren noch eine ruhige Minute?

Der Roman hat mein Leben verändert. Ich gebe Interviews, ich reise, um das Buch vorzustellen und zu signieren ? Aber ich versuche, meinen Lebensrhythmus beizubehalten, gehe ansonsten täglich zur Arbeit ? Der Aufbau meiner Kanzlei hat mich viel Mühe gekostet, das will ich nicht aufgeben.

Sie sind vierfacher Vater und führen in Barcelona eine Anwaltskanzlei. Warum haben Sie sich das angetan, auf 1.000 Seiten eine Geschichte zu erfinden, die sich vor 700 Jahren ereignet haben könnte?

Zum Stressabbau und aus persönlichem Interesse. Den Roman zu schreiben, das war für mich ein wunderbarer Ausgleich. Ich war früher Leistungssportler (Springreiter, Anm. d. Red.), habe aber bemerkt, dass körperliche Belastung für mich kein Ausgleich ist - ich brauche geistige Arbeit. Dabei befriedige ich meine Neugier, lerne Neues, kann entspannen.

Aber Sie wollten Ihr Buch auch veröffentlichen und damit Erfolg haben.

Natürlich. Jeder Romanautor will, dass sein Buch veröffentlicht wird, und wer das Gegenteil behauptet, dem glaube ich nicht. Gedichte oder Tagebücher schreibt man für sich, aber Romane, die schreibt man für die Leser.

Historische Romane gelten oft als minderwertige Unterhaltungsliteratur. Stört Sie das?

Das mit der literarischen Qualität habe ich oft gehört, mir konnte bislang aber niemand genau erklären, worin sie besteht. Mein Anliegen ist es, den Leser zu fesseln, ihn zu unterhalten. Das ist das Ziel aller Romane, oder etwa nicht?

Seit der Veröffentlichung ihres Romanes spricht man vom "Phänomen Falcones". Wie erklären Sie sich diesen umwerfenden Erfolg?

Das Mittelalter ist immer faszinierend, weil wir wenig darüber wissen und es gemeinhin als düster gilt. ?Die Kathedrale des Meeres´ ist nicht so düster wie andere Romane über die Epoche, es gibt Lichtblicke, positive Momente ? Vielleicht gefällt die Geschichte deswegen so vielen Menschen.

Welche anderen Anliegen hatten Sie, abgesehen vom Willen, den Leser zu unterhalten?

Wer über das Mittelalter schreibt, schreibt über die himmelschreiende Ungerechtigkeit, die damals herrschte. Das hat mich interessiert, vermutlich, weil ich mich als Anwalt mit Recht und Rechtsprechung beschäftige.

Der Held steigt vom einfachen Steineschlepper zum einflussreichen Seekonsul auf. War dieser Aufstieg historisch möglich?

Das Mittelalter war nicht nur düster. In Katalonien war es eine Epoche großen Reichtums und politischer Macht im gesamten Mittelmeerraum. Die Gesellschaft befand sich im Umbruch, Einzelne konnten ihre Position verbessern. Der Aufstieg des Helden geht einher mit dem Bau der gotischen Kirche Santa María del Mar. Tausende von Arbeitern haben sie innerhalb von 55 Jahren mit bloßen Händen errichtet. Sie steht für die Willenskraft des Menschen, sich selbst zu überwinden und Großes zu vollbringen.

Die Veröffentlichung eines Bestsellers bedeutet auch für Sie einen Aufstieg. Sind Sie schon Millionär?

Man kann damit reich werden, ja, aber das ist ein Sekundäreffekt. Ich habe meine Arbeit, war nie von den Einnahmen abhängig.

Schreiben Sie bereits den nächsten Bestseller?

Das wird sich zeigen. Ich schreibe an einem zweiten Buch, ja, zu dem ich Ihnen aber nichts verraten werde.

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