Von Brigitte Kramer

Ein leichter rosafarbener Schimmer erfüllt den weiß getünchten Raum in der Kunsthalle. An der Wand hängen rundum Szenenfotos beliebiger Fernsehsendungen. Unten in der Ecke zucken und flimmern diese Bilder über einen kleinen Fernseher, im Realtime-Rhythmus von 25 Bildern pro Sekunde.

Paz Alcoverros Installation ýStealing" (Stehlen) erfüllt das Séparée. ýDas ist Fernsehen", sagt die 38-jährige Künstlerin aus Barcelona, während die Betrachter einerseits fasziniert, andererseits widerwillig auf die hektischen Bilder auf dem kleinen TV-Gerät starren. Eine Katze taucht plötzlich auf, schnuppert nervös in Richtung Fernseher, läuft wieder hinaus. ýWir sehen die Fernsehbilder in genau diesem Rhythmus, nur dass sie normalerweise Kontinuität haben und wir uns deswegen ihres Tempos nicht bewusst sind. Unser Gehirn verbindet sie zu einem einzigen Bilderfluss."

Paz Alcoverro ist eine von zwölf Künstlern, die die große Vernissage zur Wiedereröffnung des Centro Cultural Andratx (CCA) bestreiten. ýFlow" (Fluss) heißt die Schau, zusammengestellt hat sie der 35-jährige mallorquinische Kunsthistoriker Pau Waelder. Er und Arianne Gaazenbeek, neue Leiterin des Zentrums im abgelegenen Ortsteil Sa Coma, haben Künstler aus acht Ländern eingeladen, die meisten davon aus Südeuropa, geboren zwischen 1957 und 1982.

Alcoverro hat, ebenso wie die Griechin Maria Glyka und die Französin Haïdée Henry, einen eigenen Raum in der 1.200 Quadratmeter großen Kunsthalle des Zentrums. Ein wahrer Luxus für jeden Künstler und ein Genuss für den Zuschauer, der sich beim Rundgang nicht überfordert fühlt. Formal unzusammenhängend und auch konzeptionell nicht sofort als Einheit erkennbar sind die Arbeiten der Künstler, die sich, so Waelder, alle ýmehr oder weniger zentral mit dem Begriff des Flusses auseinandersetzen".

Die Französin Henry zum Beispiel, Alcoverros Nachbarin, zeigt schlichte, kleinformatige Zeichnungen von ineinanderfließenden Körpern: Zwei Frauen, deren Arme eins werden, zwei Frauen, die sich am Kopf verbinden, zwei Frauen, die gemeinsam einen neuen Umriss bilden, wie siamesische Zwillinge verschmelzen.

Maria Glyka hat sich zum Thema Fluss aus ihrer Heimatstadt Athen selbst Post an das CCA geschickt, wo sie einige Tage vor der Vernissage in einem der Künstlerstudios ihre Installation ýFlow" vorbereitete. Die ausgestellten Briefe, Pakete und Ansichtskarten stellen Aufnahmen - Skizzen, Fotos, Texte - von wichtigen Momenten ihres griechischen Alltags dar. Beim Auspacken der Post fragte sich die 30-jährige Konzeptkünstlerin dann nach der Bedeutung dieser künstlerisch verewigten biografischen Stationen. ýIm Fluss der Zeit verschieben sich die Prioritäten, manches wird banaler, anderes gewinnt an Bedeutung", sagt sie.

Den größten Raum besetzt der Mailänder Mauro Ceolin, der 2007 an der Ausstellung ýMeta-paisatges" in der Miró-Stiftung teilnahm, die auch von Pau Waelder ausgerichtet worden war. Seine formale Auseinandersetzung mit dem Thema zeigt er in mehreren kleinen und zwei großen Werken. Die Hintergründe japanischer Comics und generell orientalischer Malerei dienten dem 43-jährigen Künstler als Vorlage: Es sind Arbeiten, auf denen nur Flutwellen, Staubwolken, Bewegungsspuren oder

Detonationswolken zu sehen sind - Comics ohne Helden.

Der Rundgang bietet darüber hinaus Arbeiten von Clara Boj und Diego Díaz (Valencia), Andrea Renzini (Venedig), Gregory Chatonsky (Paris), Enric Font (Barcelona), Katie

Peterson Glasgow), Peter Ruehle (Dresden), Bill Thompson (Boston) und Nic Hess (Zürich).

Die Schau ist bis zum 5. Mai zu sehen.