Sein Gesicht ist nicht mehr so glatt wie einst, doch die Haare von Rodger Hodgson sind noch so lang wie in den 70ern und frühen 80ern. Auch seine Hits von damals wie "Dreamer" und "Give a Little Bit" ziehen nach wie vor. Hodgson, der 1950 in Portsmouth geboren wurde, war neben Rick Davies führender Kopf der Rock-Pop-Band Supertramp. Und auch, wenn die großen Zeiten des Erfolgs und der verkauften Millionenauflagen vorbei sind, ist sein Name immer noch zugkräftig genug, um ausverkaufte Konzerte zu garantieren. Zumindest in kleinerem Rahmen - für seinen Auftritt am 13. Juli in Pollença etwa waren Karten bereits Ende Juni Mangelware. Die Geschichte des Musikers Roger Hodgson begann im zarten Kindesalter von zwölf Jahren im Internat. Damals hatte er eine Art beste Freundin: die Gitarre. Das Klampfen brachte er sich selbst bei, und bald komponierte er eigene Songs, für die er hin und wieder auch die Begleitung schrieb: für Klavier, Bass, Schlagzeug und sogar für Cello. Seine Schulzeit inspirierte ihn später zu einem seiner Hits, "Logical Song". Ein Lied, das ?auf unbeschwerte Weise eine tiefgründige Botschaft" enthält, wie Hodg­son in einem E-Mail-Interview mit der MZ erzählt. Nämlich seine Gedanken über den Sinn des Lebens: ?Man hatte mich im Internat immer nur gelehrt, angepasst und vorzeigbar zu sein, aber nie, wer ich bin und warum ich hier bin."

Bevor sich Hodgson selbst solchen tiefschürfenden Fragen zuwandte, ging er nach der Schule erst einmal ins Tonstudio, um seine erste Single mit dem Titel "Mr. Boyd" aufzunehmen. Sie wurde unter dem Bandnamen Argosy veröffentlicht, mit einem gewissen Reginald Dwight am Piano. Wenige Wochen später änderte besagter Dwight seinen Namen in Elton John. Wer allerdings behauptet, Hodgson und Elton John hätten zusammen in einer Band gespielt, den belehrt der Ex-Supertramp eines Besseren: "Mir selbst hätte es zwar gefallen, Argosy als feste Gruppe zu etablieren, aber meine Plattenfirma wollte das nicht." So blieb es bei einem einmaligen Treffen von Session-Musikern, die unter einem Bandnamen firmierten. Er könne sich noch nicht einmal daran erinnern, so Hodgson, mit Elton John auch nur ein Wort gewechselt zu haben. Dieser sei einfach gekommen, habe gespielt und sei wieder gegangen. "Der Rest ist Geschichte."

Geschichte ist auch, wie es zu der Band Supertramp kam. Zu verdanken ist dies einem holländischen Millionär namens Stanley August Miesegaes. Er hatte dem Sänger und Pianisten Rick Davies Geld gegeben, um eine Gruppe zu gründen, und Davies gab eine Anzeige im Magazin "Melody Maker" auf, in der er mit einer "einmaligen Gelegenheit für Musiker" warb. Weil Hodgsons Mutter ihm zuriet, ging der 19-jährige Roger nach London, um sich bei Davies vorzustellen. Das Treffen endete im Pub, und das war der Anfang von Supertramp.

Wie aller Anfang, war auch der Beginn von Supertramp schwer. Nach zwei erfolglosen Alben - beim zweiten Album erzeugte lediglich das Plattencover mit dem Körper einer nackten, tätowierten Frau allgemeine Aufmerksamkeit - zog sich Miesegaes zurück, die Gruppe löste sich vorübergehend auf. 1973 gründeten Davies und Hodgson Supertramp neu, mit einer Besetzung, die mit einem veränderten Sound den Geist der Zeit traf. Am Anfang hatte sich die Band noch stark an dem Stil des sogenannten Progressive Rock von Gruppen wie Traffic und King Crimson orientiert. "Die englische Musikszene war damals sehr innovativ und vibrierte förmlich", erinnert sich Hodgson. Doch mit der Neubesetzung drängten sich andere Töne in den Vordergrund. Geprägt von dem unverkennbaren Piano-Klang Davies, vom Falsettgesang Hodgsons und den Klarinetten- und Saxophon-Einlagen von John Halliwell schuf Supertramp eine ganz eigene Mischung aus Rock und Pop, mit der sich die Gruppe bis an die Spitze der Verkaufslisten katapultierte. Mit der LP "Crime of the Century" begannen die "goldenen Jahre", die in dem Album "Breakfast in America" gipfelten: Mehr als 60 Millionen Exemplare ihrer Erfolgsalben gingen über die Ladentische, ehe Hodgson die Band verließ.

Hatten Davies und Hodgson anfangs noch gemeinsam komponiert, so standen am Ende zwar noch beider Namen unter den Songs, aber tatsächlich war das Verhältnis der beiden Musiker laut Hodgson längst eine "Lennon-McCartney-Beziehung", will heißen: getrennt schreiben, gemeinsam firmieren. "Give a Little Bit" - bis heute Hodgsons Lieblingsstück -, "The Logical Song", "Dreamer", "Take the Long Way Home", "Breakfast In America", "It´s Raining Again", "School", "Fools Overture" und viele Songs mehr flossen allein aus Hodgsons Feder.

Manche dieser Hits hatte er bereits geschrieben, als es Supertramp noch gar nicht gab. Zum Beispiel "Dreamer", die erste Single der Gruppe, die auf Platz eins der Top Ten landete: Hodgson hatte das Lied nicht nur zu Hause bei Muttern komponiert, sondern dort auch den Gesang aufgenommen - auf einem simplen Kassettenrekorder mit zwei Tonspuren. In Ermangelung von Percussion-Instrumenten habe er auf Kartons getrommelt, erzählt er. Diese ?Magie des Klangs" habe Supertramp später im Studio nicht reproduzieren können, weshalb sich die Band bei der Plattenaufnahme damit begnügt habe, zu dem Demo-Tape zu spielen.

Bis heute fragen sich viele Fans, warum Hodgson Supertramp 1983 verlassen hat. ?Die Wahl ist mir nicht leicht gefallen, und dieser Schritt war für mich und die anderen sehr traurig", sagt er. Doch er hatte eine Familie gegründet und zwei kleine Kinder, die er heranwachsen sehen wollte. ?Es war mir klar, dass ich der Musik und der Familie nicht gleich viel Aufmerksamkeit widmen konnte, deshalb entschied ich mich, die Musik für eine Weile an zweite Stelle zu setzen."

Dass diese Weile etwas länger dauerte, lag auch daran, dass er Ende der 80er Jahre von einem Baum fiel und sich beide Hand­gelenke brach. Lange Zeit war nicht klar, ob Hodgson je wieder Musik machen können würde. Solche zwangsweisen Auszeiten regen gewöhnlich zum Nachdenken an. Auch bei Hodgson war dies der Fall. Er habe sich gefragt, wie viele goldene Schallplatten er mit ins Grab nehmen könne. Seine Schlussfolgerung war so platt wie simpel: Erfolg ist nicht alles. Heute brauche er keine große Karriere mehr, um glücklich zu sein, sagt der Ex-Supertramp.

Gleichwohl tourt er immer mal wieder durch die Lande, unter anderem mit der Ringo-All-Star-Band des Ex-Beatle Ringo Starr. Auch als Sänger für die Gruppe Yes war er zwischenzeitlich im Gespräch. Die Pläne zerschlugen sich jedoch ebenso wie eine Wiederauflage von Supertramp in der Erfolgsbesetzung von einst. Zwar erlebte die Band 1997 ein Comeback mit dem Album ?Some Things Never Change", aber ohne Hodgson. Ein Revival der guten alten Zeiten scheiterte zuletzt am mangelnden Interesse von Rick Davies. Aber da gibt sich Hodgson gelassen: Wichtiger als der Name einer Band seien die Songs. Und die singt er schließlich immer noch. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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