"Viel Feind, viel Ehr'", lautet ein geflügeltes Wort. Andrei Gawrilow hat sich im Laufe seines Lebens so manche Ehre verdient. Der aus Russland stammende Pianist, der am 17. August beim Chopin-Festival in Valldemossa gastiert, war einst ein gefeierter internationaler Star. Dass sein Name weitgehend aus den Medien und CD-Regalen verschwunden ist, hat er sich zu einem gewissen Teil selbst zuzuschreiben. Was nichts daran ändert, dass er ein Weltklasse-Pianist ist.

1955 in Moskau geboren, wurde der Sohn eines Künstlers und einer Pianistin früh auf Erfolg ge-trimmt. Mit sechs Jahren begann für Gawrilow die Ausbildung in den Kaderschmieden der Sowjet-union, zunächst in der Zentralen Moskauer Musikschule, dann am Moskauer Konservatorium. Das Wettrüsten während des Kalten Krieges fand eben nicht nur in den Raketenfabriken und Sportarenen statt, sondern auch in den Konzertsälen: In der 70er Jahren sprach der Papst der deutschen Musikkritiker, Joachim Kaiser, von den ?stets beneidenswert gut trainierten jungen Supervirtuosen" aus dem Reich des Kommunismus, die für den westlichen Nachwuchs ?unerreichbare Ausnahmeerscheinungen" seien.

So wie Andrei Gawrilow. 1974 wurde er jüngster Gewinner in der Geschichte des Moskauer Tschaikowski-Wettbewerbs, und im selben Jahr sprang er in Salzburg für den erkrankten Swjatoslaw Richter ein. Zwei Jahre später, nach einem Konzert Gawrilows in München, konnte man Musikpapst Kaiser jubeln hören: ?Virtuos, ekstatisch, bedenklich - endlich hatten wir in München die Möglichkeit, diese wahrhaft staunenswerten Klavierhände bei der Arbeit zu sehen, die mir genauso begabt erschienen wie die eines Swjatoslaw Richter oder eines Horowitz!"

Europas Konzertsäle standen dem jungen Sowjet-Russen offen, und für den 6. Dezember 1979 war eine Schallplattenaufnahme mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan angesetzt. Doch die Philharmoniker und Karajan warteten vier Stunden lang vergeblich. Was sie erst später erfuhren: Der damalige Staats- und Parteiführer Leonid Breschnew und sein KGB-Chef Juri Andropow hatten dem Pianisten kritische Äußerungen über das Sowjet-Regime übel genommen. Der Stolz der Machthaber im Kreml auf den Shootingstar war in Ärger umgeschlagen. Kurzerhand ließen sie Gawrilows Pass einziehen, stellten ihn unter Hausarrest, wiesen ihn in die Psychiatrie ein. Sogar an einen tödlichen Autounfall hatte Andropow gedacht.

Fünf Jahre lang blieb Gawrilow von der Bildfläche verschwunden. Erst unter Michail Gorbatschow durfte er wieder seine Konzerttätigkeit aufnehmen und ins Ausland. Mit einem umjubelten Debüt in der New Yorker Carnegie Hall meldete sich Gawrilow 1985 an der Spitze der internationalen Musikszene zurück. 1989 verließ er endgültig Russland, heute lebt er mit Frau und Kind in der Schweiz.

Mit seinem Comeback begann eine Reihe von preisgekrönten Aufnahmen bei dem Elite-Label EMI. Es heißt, bei der CD-Firma sei man nicht sehr erfreut gewesen, als er 1990 zur Deutschen Grammophon wechselte. Es folgten einige erfolgreiche Alben. Doch dann setzte ein erneuter Karriereknick weiteren Aufnahmen ein jähes Ende.

Dieser erfolgte 1993. Gawrilow sagte kurzfristig ein ausverkauftes Konzert in Brüssel ab, sogar die belgische Königin hatte sich angesagt. Und in Wien verließ er bei einem live übertragenen Konzert einfach die Bühne. Er sei mit seiner Leistung nicht zufrieden, begründete der Pianist später seinen neuen Rückzug. Gawrilow stürzte in eine tiefe künstlerische und persönliche Krise. Acht Jahre blieb er der Bühne fern, bis heute ist er von der Musikindustrie weitgehend abgeschrieben. So schnell verzeiht man menschliche Schwächen nicht. Doch die Kritiker und das Publikum jubeln nach wie vor, wenn Gawrilow mit dem Klavier seinen virtuosen Zauber treibt.

Das Konzert in der Kartause in Valldemossa findet am 17. August stat und beginnt um 22 Uhr. Der Eintritt kostet 15 und 25 Euro.