Eine der weltweit renommiertesten Solistinnen kommt in die Musikprovinz, um mit einem - mit Verlaub - international völlig unbedeutenden Orchester zu musizieren. Kein Märchen und auch keine Zeitungsente, sondern eine Ankündigung: Am 27. November tritt die deutsche Klarinettistin Sabine Meyer, von der Musikzeitschrift "Fono Forum" als eine der "größten Interpretinnen unserer Zeit" gewürdigt, im Auditorium in Palma mit dem Sinfonie-­Orchester der Balearen auf.

Wenn die Kritiker über Sabine Meyer schreiben, hagelt es Superlative. Als ?Königin des guten Tons" bezeichnete sie die ?Süddeutsche Zeitung", als "Primadonna Assoluta der Klarinette" die ?Berner Zeitung" und die ?Rheinische Post", ?The Australian" kürte sie zur ?Steffi Graf der Klarinette". ?Ergriffen bis zur Sprachlosigkeit" zeigte sich der Papst der deutschen Musikkritiker, Joachim Kaiser, von der ?Fülle der Nuancen, der Stärke-Grade, der teils brillanten, teils tödlich verdunkelten Gesten" ihres Spiels, auch in ?Die Welt" scheint ?die herkömmliche Terminologie fast zu versagen", während die ?Chicago Tribune" schwärmte: ?Bei ihr war es unmöglich zu sagen, wo die technische Bri­llanz aufhörte und die musikalische Perfektion begann: Und am Ende war es auch egal."

Die Liste der verbalen Lorbeeren, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckt, ließe sich fortsetzen. Nicht zu vergessen die zahlreichen Auszeichnungen, darunter sechs ?Echo-Preise" der deutschen Phonoakademie für Einspielungen als Solistin sowie ihres Bläserensembles Sabine Meyer bei dem CD-Label EMI.

Geboren wurde Meyer 1959 in Crailsheim in Baden Württemberg. Bereits ihr Großvater spielte Klarinette in der Crailsheimer Postkapelle, ihr Vater war Klarinettist in einer der ersten deutschen Bigbands. Ihr fünf Jahre älterer Bruder Wolfgang Meyer und ihr Ehemann Reiner Wehle sind ebenfalls renommierte Klarinettisten; mit beiden bildet sie das Trio Di Clarone.

Nachdem Meyer zunächst mit Klavier und Violine begann, griff sie im Alter von acht Jahren zu jenem Instrument, das in ihrer Familie schon Tradition hatte. Damit war der Grundstein für eine Karriere als Solistin gelegt, die nur wenigen vergönnt ist. Seit ihrem Debüt im Alter von 16 Jahren spielte sie mit den bedeutendsten Orchestern im In- und Ausland und kann internationale Engagements vorweisen, die für Bläser-Solisten außergewöhnlich sind. Denn das ­Solo-­Repertoire für Klarinette ist weitaus weniger reichhaltig als das für Geige und Klavier.

Auch manchen Zeitgenossen, die sich für klassische Musik nur am Rande interessieren, ist der Name Sabine Meyer wohlbekannt. Stichwort ?Karajans Klarinette". Im Juli 1982 spielte Meyer, die damals Mitglied beim Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks war, bei den Berliner Philharmonikern vor. Der damalige Chefdirigent der Philharmoniker, Herbert von Karajan, wollte Meyer als Solo-Klarinettistin haben. Doch das Orchester verweigerte die erforderliche Zustimmung. Meyer gelinge es nicht, sich mit ihrem Ton ins Orchester einzupassen, ihr Ton sei zu hell für den dunklen Philharmonikerton, lautete die Begründung, die gleichwohl nicht von allen Musikern geteilt wurde.

Peter Gierth, seinerzeit Intendant der Berliner Philharmoniker, setzte sich über das Abstimmungsergebnis der Orchesterversammlung hinweg und gewährte Meyer eine einjährige Probezeit. Glaubt man einem Bericht des Komponisten ­William Osborne, dann begann für Meyer ein Spießrutenlauf: Wenn die Musikerin bei den Proben Platz nahm, seien die Kollegen mit ihren Stühlen auf Abstand gegangen. Während Osborne von einer Diskriminierung der Musikerin spricht - Meyer war die zweite Frau bei den Philharmonikern und die erste, die eine Solistinnen-Stelle besetzte - sahen die meisten Kommentatoren in Meyer den Auslöser für einen Machtkampf zwischen Karajan und den Philharmonikern. Der Streit endete mit der Trennung des Dirigenten von dem Berliner Orchester.

Als Karajan auf sein Amt verzichtete, war Meyer längst gegangen. Auf ihrer Webseite heißt es schlicht: ?Es folgte ein Engagement als Solo-Klarinettistin des Berliner Philharmonischen Orchesters, welches sie jedoch bald aufgab, da sie zunehmend als Solistin gefragt wurde." Bis sie wieder mit den Berliner Philharmonikern spielte, sollten allerdings 17 Jahre vergehen. Für Mozarts Klarinettenkonzert, das sie mit den Philharmonikern unter der Leitung von Claudio Abbado interpretierte, erhielt sie sogar einen ihrer Echo-Preise als ?Instrumentalistin des Jahres".

Als Ausnahme-Virtuosin hat Meyer die Klarinette als ­Solo-Instrument ins Rampenlicht der Klassik gerückt. Neben den Standard-Werken von Komponisten wie Mozart, Weber und Nielsen reicht die Bandbreite ihrer Palette von Vorklassikern bis zu zeitgenössischen Wer- ken, die ihr gewidmet wurden.

In Palma wird Meyer das Klarinetten-Konzert des US-amerikanischen Komponisten Aaron Copland (1900-1990) interpretieren. Das Werk ist eines der bedeutendsten Klarinetten-Konzerte des 20. Jahrhunderts und wurde im Auftrag des Jazz-Klarinettisten Benny Goodman geschrieben. Darüber hinaus werden die Sinfoniker der Balearen die Sinfonie Nr. 5 und die Hebriden-Ouvertüre von Felix Mendelssohn-Bartholdy spielen. Die Leitung hat Pavel Baleff, Chefdirigent der Baden-Badener Philharmonie.

Konzertbeginn: 20.30 Uhr. Eintritt: 20 und 28 Euro. Karten an der Tageskasse des Auditoriums.

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