„Er trug diese blaue Schürze mit den vielen Farbflecken drauf, die an ihm wie ein eigenes kleines Kunstwerk wirkte“, erinnert sich Schriftsteller Gabriel Janer Manila an Joan Miró, den katalanischen Maler, der am 25. Dezember 1983 auf Mallorca starb.

Künstler und Intellektuelle haben in den vergangenen Wochen in der Schwesterzeitung der MZ, „Diario de Mallorca“, ihre Begegnungen mit dem kleinen, freundlichen Mann mit den wachen Augen noch einmal Revue passieren lassen. Es sind private Erinnerungen an einen Menschen, der trotz seiner Erfolge einfach lebte, in dessen Leben die Kunst immer im Mittelpunkt stand (wobei er stets von seiner Frau Pilar Juncosa unterstützt wurde), der hilfsbereit war und nur wenig große Worte machte. „Wenn er redete, dann nicht über die gro­ßen ästhetischen Theorien, sondern meist über ganz normale Dinge. Man vergaß, dass man vor einer außergewöhnlichen Persönlichkeit stand. Ich mochte es, wenn er von seiner Freundschaft zu Giacometti und Picasso erzählte“, so Janer.

Miró, 1893 in Barcelona geboren, interessierte sich für die katalanische Kultur, las Gedichte des Mallorquiners Bartomeu Rosselló-Pòrcel und unterstützte die Sängerin Maria del Mar Bonet, eine CD auf Katalanisch aufzunehmen. Dabei hielt er sich normalerweise mit politischen Aussagen zurück. „Doch als 1973 die Todesstrafe gegen den katalanischen Anarchisten Salvador Puig Antich verhängt wurde, setzte sich der Pfarrer von Montserrat mit Miró in Verbindung und bat ihn zu helfen. Miró rief beim Papst an. Doch letztlich half es nichts. Daraufhin schuf er sein „Tríptic del condemnat a mort“ (Tripthychon des zum Tode Verurteilten), erzählt der Theaterregisseur und Maler Joan Baixas.

Goldschmiedin Maria Lluïsa del Valle, die mit Mirós Enkel David befreundet war, liebte es, wenn Miró ihr aus seiner Pariser Zeit, den 20er Jahren, erzählte. „Es war die Zeit, als er Zeitungspapier unter seine Kleider stopfte, weil er so fror und hungerte und dennoch malte.“ In Mirós Haus in Son Abrines hätten zwei Bilder seiner Serie „Constelaciones“ gehangen. „Er nahm sie auf seiner Flucht aus Frankreich mit, als die Deutschen einmarschierten. Danach hatte er sie immer bei sich.“

So wertvoll seine Kunst für ihn selbst war, so wenig wurde sie anfangs von anderen geschätzt. Wenn Miró seiner Vermieterin - der Frau des aragonesischen Bildhauers ­Gargallo - in Paris die Miete aushändigte, hatte er auch meist etwas für sie gemalt. „Sie lud ihn zum Eintopf ein und Miró schenkte ihr ein Bild, das sie danach in den Müll warf“, erinnert sich der Keramiker Lluís Castaldo. Auch von geistlicher Seite schätzte man den Maler nicht besonders. Als Miró für die Kathedrale von Palma Kirchenfenster entwerfen wollte, und dieses Projekt vom Domkapitel abgelehnt wurde, überbrachten Galerist Ferran Cano und Ángel Juncosa die Botschaft: „Wir wussten nicht, wie wir es ihm sagen sollten. Aber Miró lachte bloß und meinte: ‚Ich dachte schon, dass mein Werk überhaupt keinen mehr ängstigt. Aber es gibt noch Menschen, die es als zu revolutionär empfinden ... allerdings sind Priester auch recht einfach aufzuschrecken‘.“

Fernab von Mallorca schätzte man sein Werk hingegen sehr. „Eines Nachmittags, als wir einen Kaffee in Son Abrines tranken, klingelte das Telefon. Als Miró zurückkam, erzählte er uns, dass sein Agent gerade einen seiner Wandteppiche an das World Trade Center verkauft habe. Er sagte das so beiläufig, als habe ihm gerade jemand einen Apfel geschenkt“, erzählt Janer. Und Galerist Ferran Cano erinnert sich: „Als wir an einem Poster für die Picasso-Miró-Ausstellung meiner Galerie 4 Gats arbeiteten, war der Direktor des Grand Palais aus Paris am Telefon. ‚Joan, geh ans Telefon - es geht um deine große Ausstellung und nicht um diese kleine hier‘, sagte Pilar. Miró schaute sie an, ging zum Telefon und sagte: ‚Hören Sie, ich bin grad in Indien‘, und legte auf.“ Miró interessierte sich kaum für den Kunstmarkt, das merkte auch Galerist Cano. „Ich wies ihn darauf hin, dass sein Bild „Bailarina en la Catedral de Palma“ bei einer Versteigerung einen Rekord gebrochen hatte und mehr kostete als ein Jasper John“, so Cano. Miró erzählte ihm, dass er das Bild in einem Moment gemalt hatte, als er sehr arm gewesen sei und kaum etwas zu essen gehabt hätte. Er habe sich damals anschließend mit einem Espresso im Café Lírico in Palma belohnt. „Wir sprachen nicht die gleiche Sprache. Ich sprach vom Kunstmarkt - er nicht“, schreibt Cano. Nach Mirós Tod erreichten seine Bilder Spitzenpreise. So wurde 2006 beispielsweise ‚L‘oiseau au plumage déployé vole vers l‘arbre argenté‘ für zehn Millionen Dollar bei Sothebys versteigert.

Noch einen Monat vor seinem Tod 1983 entwickelte Joan Miró enorme Energien, wie sich Castaldo erinnert: „Pilar hatte ihn gerügt, weil er sich schmutzig gemacht hatte. Da sprang Miró auf und rief: ‚Na und! Ich will sterben, während ich arbeite und nicht, während ich in einem Sessel sitze!‘“

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