Ein einziges Mal kam Rudi Stanzel in Versuchung. In den frühen 90er Jahren, erinnert er sich, habe er in einer Anwandlung, die er sich nachher nicht erklären konnte, drei rot-schwarze Bilder gemalt und eines - es schüttelt ihn noch heute - in Rosa. Für jemanden, der ansonsten in seiner bald 30-jährigen Laufbahn ausschließlich mit Schwarz-Weiß gearbeitet hat, war es eine Revolution. Und sie währte kurz. "Ich musste die Bilder aus dem Atelier schaffen, sie haben mich erschlagen."

Eines konnte er verkaufen. Die Millionenerbin Ingrid Flick besitzt heute ein Bild mit Seltenheitswert: Stanzels roten Ausritt. Was er hingegen dieser Tage im "Al Quinto Pino Art Club" bei Santanyí zeigt, hat er in diesem Künstlerhaus und für dasselbe geschaffen und gehört zu seiner "normalen" Produktion.

Der 1958 geborene Österreicher sucht sein Glück in radikaler Reduzierung. "Ich brauche einen engen Rahmen, ein kleines Vokabular, damit ich den Schaffensprozess spannend finden kann." Diese Vokabular-Verengung geht so weit, dass ihm schon "Figürchen und Diagonalen", die ihm vor einiger Zeit mal reinrutschten, zu viel waren.

Begonnen hat es, als er an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst bei Peter Weibel studierte. "Ich wollte nie Maler werden, mich haben alle Medien interessiert." Es war die Blütezeit der Neuen Wilden, doch Stanzel blieb davon völlig unberührt: Er kaufte einen schwarzen Farbtopf und einen weißen, um mal zu experimentieren. "Und in dieser Phase bin ich stecken geblieben."

Denn noch immer ist er nicht an die Grenzen dessen gestoßen, was sich mit diesem chromatischen Mikrovokabular ausdrücken lässt. Immer wieder entdeckt er neue Materialien, mit denen sich dem Spiel mit Schwarz und Weiß neue Facetten abgewinnen lassen. 2006 war Stanzel als Gastkünstler in China, und dort stieß er auf Tusche und hauchdünnes Reispapier, Materialien, die er auch nach Mallorca gebracht hat.

Materialien sind es am Ende, die für Vielfalt in Stanzels künstlerischem Wortschatz sorgen. Er experimentierte mit Transparentpapier, das er im Stil der Hinterglasmalerei verwendete, er arbeitete mit Graphit auf Spachtelmasse, er klatschte Bitumen auf Aluminium, und auf Mallorca machte er sich auch mal mit einem Bügeleisen über schwarze Müllsäcke her. Die Flächen dürfen nicht langweilig werden, die Bilder sind nicht "meditativ" angelegt, "das klingt esoterisch und dahin will ich nicht".

Das erste Bild hängt in der Wohnküche, dann öffnet sich das Gebäude zu einem lichtdurchfluteten Raum. Hinter einem Kettenvorhang verbirgt sich eine Waschmaschine, und ein Patio trennt den Wohnteil von jenem, den der Schöpfer dieses Hauses als "Tempel der Kunst" bezeichnet, Atelier und Showroom mit Platz für Licht und Gedanken.

Mit dem "Al Quinto Pino Art Club" hat Rudi Stanzel auf Mallorca einen kongenialen Veranstaltungsrahmen gefunden. "Quinto Pino" bedeutet "im hintersten Winkel", der minimalistische Marès-Bau namens "Capdesmoro" wurde von dem ebenfalls aus Österreich stammenden Peter Marquant entworfen. Mit Unterstützung eines Mäzens baute der Maler einen Steinwurf vom Naturpark Mondragó entfernt sein Künstler-Traumhaus. Seit der Fertigstellung im Jahr 2003 lebt er dort mit seiner Frau und veranstaltet eine einzige Ausstellung im Jahr, mit einem einzigen Künstler. Auch Marquant schwört auf Reduzierung: "Das soll etwas Besonderes bleiben."

So war es dieses Jahr sein Freund Stanzel, der etwa zwei Wochen lang im "Tempel der Kunst" arbeiten konnte. Von der Naturpracht, die durch Panoramascheiben ins Bewusstsein strömt, ist nichts auf Stanzels Bilder übergeschwappt. Umgekehrt versichert der Künstler, dass seine Radikalität aufs Atelier beschränkt, dass er als Familienvater "wahnsinnig normal" sei.

Lässt ihn Mallorca als Künstler gleichgültig? "Die Trockensteinmauern sind faszinierend", gesteht er. Dasselbe Vokabular, dasselbe Material, tausendfach variiert.

Bis 8. März, die Öffnungszeiten sind reduziert: 17 bis 20 Uhr.

An der Straße Santanyí-Cala Figuera-s´Amarador (weiße Fahne, linker Hand). Tel.: 660-00 45 42, www.capdesmoro.org.

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