Das Bild verströmt Melancholie: Großteils in Schwarz-Weiß gehalten, stellt Jorge Azris "Urbanes Bild von Palma III" eine Ansicht des Paseo Marítimo dar, vermutlich zur Stoßzeit und möglicherwiese nach einem Regenguss. Es ist nicht gerade ein Werbeposter, und trotzdem schicken die balearischen PR-Gewaltigen Azri und vier weitere moderne Künstler zeitgleich mit der Touristikmesse ITB nach Berlin. Ihre Mission: die Inseln als kulturelles Reiseziel ins Bewusstsein einer immer stärker umworbenen Zielgruppe zu bringen.

"Wir setzen auf Kultur", verdeutlicht der für Tourismus-Marketing zuständige Joan Sastre den neuen Schwerpunkt der Fremdenverkehrswerbung. Als Lippenbekenntnis gibt es diese Strategie schon seit dem ersten Fortschrittspakt (1999-2003), doch wann immer die Verantwortlichen eine teure Anzeige schalteten oder ein Riesenplakat mieteten, war trotz aller ­Diversifizierungs-Strategien am Ende meist ein Strand darauf zu sehen. Dass sol y ­playa zu kurz greift, ist schon länger bekannt, aber nun scheint die Erkenntnis allmählich in Taten umgesetzt zu werden. In Berlin etwa soll ein frisch herausgegebener Galerieführer verteilt werden, und die eingangs erwähnte Ausstellung, die unter dem Titel "Contemporani Balears" im Art Center Berlin stattfindet, soll nur der Auftakt einer Reihe ähnlicher Veranstaltungen sein, die zeitgleich mit den großen Touristikmessen wie World Travel Market in London und Fitur in Madrid organisiert werden.

Parallel dazu wurde vor kurzem eine neue Internet-Seite vorgestellt, die in dasselbe Horn stößt. Allerdings leidet das Projekt trotz hehrer Ziele und großer Anstrengungen unter dem zentralen Problem der balearischen Tourismuswerbung: Die Touristikmarke "Balearen" hat bei weitem nicht die Durchschlagskraft wie "Mallorca" oder "Ibiza". Mit www.balears-culturaltour.es wird also schon formal aufs falsche Pferd gesetzt. Dass dieser Umstand nicht auf Realitätsverweigerung, sondern ganz im Gegenteil auf die Kompetenzrealität der Inselbehörden zurückzuführen ist (das Marken-Problem ist sattsam bekannt), wird dem europäischen Kulturpublikum herzlich egal sein.

Auch Konzept und Inhalte weisen unverständliche Lücken auf. Obwohl die Internet-Seite nahezu enzyklopädisch angelegt ist, existieren manche Bereiche überhaupt nicht, zum Beispiel Musik, womit der Kulturinteressent von Hörproben aus der sehr lebendigen insularen Szene bestenfalls träumen kann. Das Fehlen von Videos (die gerade im Kulturbereich massenhaft und kostengünstig verfügbar wären) schläfert junge Nutzer ein, der Mangel an dynamischen Elementen sorgt generell für ein müdes Image, das man sich im virtuellen Wettstreit ums Publikum heutzutage nicht mehr leisten kann. Und was balearische Kulturschaffende außerhalb des Archipels an- oder ausstellen - zum Beispiel unsere fünf Künstler in Berlin - schien wenige Tage vor Beginn der Veranstaltung ebenfalls nicht interessant genug.

All das hätte natürlich Geld gekostet, doch dazu ist man, zumindest was die Einstiegsversion im Internet anbelangt, noch nicht entschlossen genug.

Vom Format und der Idee ist die Berliner Ausstellung immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Konsolidierte Künstler, aber auch junge. Geborene Mallorquiner, aber auch Zugereiste. Malerei, aber auch eine andere Technik. Für "Contemporani Balears" suchte Kuratorin Suzana Mihalic die Teilnehmer nach dem Kriterium Schwerpunkt versus Diversität aus, denn gerade Vielfalt sei ein prägendes Merkmal der insularen Kunstlandschaft: "Ausländer, die nach Mallorca kommen, und Mallorquiner, die ins Ausland gehen und wieder zurückkehren - es ist ein ständiges Einfließen von Einflüssen." Die Rolle der Exoten fällt Jorge Azri (Syrien, 1961) und Marcelo Viquez (Uruguay, 1971) zu. Stilistisch werden die fünf Künstler dem Kriterium Vielfalt mehr als gerecht: Paz Alcoverro (Barcelona, 1969) stellt mit ihren Multibildflächen Betrachtungen über Flüchtigkeit und Fragmentierung unserer Bilderwelt an, Jorge Azri schafft Cine Noir-artige urbane Visionen, Ñaco Fabré (Palma, 1965) durchbricht den Rahmen des Gemäldes Richtung Skulptur, Marcelo Viquez variiert das Konzept der Götzenbilder und Concha Vidal (Palma, 1975) verarbeitet in ihrem Gemälden die Abgründe ihrer eigenen Persönlichkeit.

Die Ausstellung ist eine Gemeinschaftsproduktion des Institut d´Estudis Balèarics und des Tourismusministeriums der Balearischen Regierung.

"Contemporani Balears", Art Center Berlin, Friedrichstraße 134, Eröffnung 11. März 19.30 Uhr, bis 31. März, www.art-center-berlin.de