Zu Mayerles schlecht gehüteten Geheimnissen gehört eine Sammlung hunderter Kotztüten. Auf seinen Flügen grabscht sich der Künstler alles, worauf sich zeichnen lässt. Mit seinem Pinselfüller - einem Hybrid zwischen Pinsel und Füllfeder - überzieht er das Weiß mit Linien, immer wieder, und gewinnt dem Thema genug Neues ab, um sich daran festzubeißen, jeden Tag aufs Neue. In der Galerie Joanna Kunstmann in Palma sind derzeit Einblicke in Mayerles Linien-Universum zu sehen, von der Tuschzeichnung auf Hotelpapierbögen bis zu seinen markanten Gemälden, deren Geometrie sich bei näherem Hinsehen als nur scheinbar entpuppt.

Mayerle gesteht freimütig: ?Man muss schon besessen sein, und verrückt." Der 1939 in München geborene Maler kommt von einer soliden Gegenständlichkeit. In jungen Jahren gewann er den Preis für Porträtmalerei der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Später nahm er wahr, wie sich Farbe und Linie, früher reine Mittel zum Zweck, als Themen verselbständigten. Heute setzt er oben den Pinsel an und erlaubt der Farbe, sich ihren Weg nach unten zu suchen. Das Ergebnis sind Kompositionen aus Farben und Linien, zwei Themen, mit denen sich Mayerle so intensiv beschäftigt hat, dass er nicht nur Galerien und Museen bestückt, sondern auch zur Ausgestaltung öffentlicher Räume gerufen wird.

In Fürstenfeldbruck etwa arbeitete er ein Dreivierteljahr an der Ausgestaltung eines 250 Meter langen Flurs. Sein bislang größtes Tafelbild schuf er für die Eingangshalle der Siemens-Hauptverwaltung in Erlangen. Für die Anfertigung des 12,6 mal 6 Meter großen Gemäldes mietete er eine Turnhalle, ließ zum Bemalen Stege und zum Von-oben-Draufschauen eine Empore bauen. ?Das ist der Traum eines Malers, so große Formate in den Griff zu bringen."

Mayerle liebt die Arbeit im Team, das Abstimmen mit Technikern und Architekten. Zugleich liebt er die Flucht in die Abgeschiedenheit auf Mallorca: In seinem Atelier in Establiments, wo er immer wieder mit unvollendeten Arbeiten ankommt, setzen ihm ein neues Licht und eine neue Umgebung neue Augen auf. ?Mallorca ist meine Tankstelle."

Das Leuchten in den Augen Mayerles verschwindet bei der Frage nach junger Kunst. Kürzlich wirkte er in einer Jury mit, die für eine Ausstellung rund 6.000 Arbeiten durchsah. ?Das Erschreckende war, dass in einer Zeit, da alles möglich ist, bei vielen kein Ringen um Qualität spürbar war. Es geht nur ums Machen, und kaum macht einer was, meint er schon, es auch herzeigen zu müssen." Mayerle gehörte der 68er-Bewegung an, ?wir wollten die Gesellschaft mit Kunst verändern". Stattdessen verändert die Gesellschaft die Kunst: auch hier Trivialität, Branding und weltweite Vermarktung. ?Guggenheim", urteilt Mayerle, ?ist wie McDonald´s."

?Manfred Mayerle - Arbeiten aus Establiments"

Galerie Joanna Kunstmann, Palma, bis 11. April. Tel.: 971-49 53 27.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Wieder mal da: Kabarettist Martin Buchholz

- Ungewöhnliches Projekt: ?Urbeana" - Kulturmeile in Inca