Wenn sich Florian Werner „wie eine Rakete“ fühlt, „die ein wenig ziellos durch den Raum rast“, dann hat das mit den Dimensionen zu tun, die eine ursprünglich als Freizeitbeschäftigung gedachte Aktivität angenommen hat. Im Mai vor zwei Jahren griff er in einem gemieteten Ferienhaus in Portopetro erstmals zum Pinsel, nicht ahnend, welche

Energien er damit freisetzen würde. Am Mittwoch (27.5.) eröffnete er seine erste Ausstellung auf Mallorca im Kunstzentrum S‘Estació in Sineu, ein paar Tage später weiht er in Österreich die „Hospiz Galerie Bregenz“ ein. Und im kommenden Jahr - das ist zumindest die Idee, mit der Werner spielt - sollen Künstler aus fünf Kontinenten in seinem Hotel wohnen und werken - ein Hotel, das sich in diesem Zeitraum selbst zu einer Art alpinem Kulturzentrum gemausert hat.

Wie ist das passiert? Sind da plötzlich Familiengene durchgebrochen?

Werner ist selbst ein wenig ratlos. „Das hat offenbar in mir geschlummert.“ Und zwar tief: Der Profihotelier und Besitzer eines legendären, 1386 als Herberge gegründeten Hotels in St. Christoph am Arlberg hatte mit Kunst wenig am Hut, er kann sich nicht einmal erinnern, in der Schule gut gezeichnet zu haben. In Fragen der Dekoration und Gestaltung seines Hotels mischte er sich nicht ein. Auch die Familie bietet keine Aufschlüsse. Seinen Vater, erinnert sich Werner, erfasste im selben Alter, in dem sich der frisch gebackene Künstler befindet (42), eine Sammelwut, die allerdings ganz anderer Natur war: Riesige Flaschen Bordeaux-Wein lagerte der Patriarch im Keller ein, die Bordeaux-Sammlung ist heute eines der Kronjuwelen des Hotels.

Nicht weniger impulsiv ging der Sohn zu Werk: In Österreich steuerte er einen Kunstbedarfsladen an, reiste dann per Auto und Fähre nach Mallorca und dachte sich eines Tages auf der Terrasse des Ferienhauses: „So, jetzt mach mal.“

Von diesem Augenblick im Mai 2007 ließ ihn das Thema Kunst nicht mehr los. In seinem Hotel richtete er ein Atelier ein, in den öffentlichen Bereichen schmiss er kurzerhand die in Schaufenstern ausgestellte Haute Couture raus und stellte Kunst rein. Nicht nur seine: Im vergangenen Winter lud er 25 Künstler nach dem Artist-in-residence-Prinzip zu je einer Woche in sein Hotel ein. Und weil das Hospiz eine internationale Kontaktmaschine ist, waren auch Ausländer unter den kreativen Gästen, darunter eine Australierin, die in der National Art School Sidney den von Florian gestifteten „Florian Werner Residency Award“ gewonnen hatte.

Mittlerweile hat das Arlberg Hospiz Hotel seine eigene Galerie, und im Sommer beginnt ein deutscher Künstler mit einem höchst ungewöhnlichen Vorhaben: Die Ausgestaltung des Lüftungskellers mit Farben, die nur bei Dunkelheit sichtbar sind. „Kunst im Keller“ nennt Werner das Projekt, und sein Hotel dürfte nach dessen Fertigstellung eines der wenigen weltweit sein, die Gästen einen „geführten Besuch des Lüftungskellers“ anbieten.

Einigen wenigen, gesteht Werner, ist das fast schon zu viel des Guten. Generell würde die Kunst-Eruption auf dem Arlberg begeistert aufgenommen, und immer wieder bieten Gäste ihre Kontakte an, um dem Projekt ein Kapitel anzufügen. Über einen Gast und Mallorca-Fan kam auch der Kontakt zu Klaus Drobig zustande, dem Betreiber des Kunstzentrums S‘Estació in Sineu.

Werner selbst kann sich nur im Sommer, wenn die anstrengende Arlberg-Feriensaison vorbei ist, seinen anderen Leidenschaften widmen. Als „Hobby“ oder „Ausgleichssport“ möchte er die Kunst nicht verstehen. Mittlerweile hat er eine Agentur beauftragt, die Kunstflut in geordnete Bahnen zu lenken.

„Florian Werner“, Centre d‘Art S‘Estació in Sineu, bis 15.7. Tel.: 971-52 07 50.

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