Ute Lemper (46) ist eine der erfolgreichsten Deutschen im internationalen Showgeschäft. Mit Liedern aus der Berliner Kabarettszene der Vorkriegszeit, mit Chansons, zuletzt auch mit eigenen Kompositionen begeistert sie weltweit. Am Samstag (3.7.) tritt Lemper mit ihrem Programm "Last Tango in Berlin" um 22.30 Uhr im Teatre Principal in Palma auf und eröffnet damit das Jazz Voyer Festival. Der Eintritt kostet 25 bis 45 Euro (Vorverkauf an den Theaterkassen und unter www.servicaixa.es). Vorab gab Ute Lemper der Mallorca Zeitung ein Interview, den Anruf nahm sie in ihrer Wahlheimat New York entgegen.

In Ihrem Programm schlagen Sie eine Brücke zwischen Berlin und Argentinien. Wo liegen die Gemeinsamkeiten?

Vor allem in der Poesie der Lieder, in ihrem Expressionismus. Und natürlich gibt es historische Bezüge. In meinem Repertoire nehmen Komponisten der Weimarer Republik einen wichtigen Platz ein. Sie mussten wegen der Nazis das Land verlassen, und viele gingen nach Argentinien. So schaffte es ein Stück vom deutschen Lied nach Buenos Aires.

Und das Bandoneon, das wichtigste Instrument des Tango, ist eine deutsche Erfindung.

Tito Castro, der mich gemeinsam mit Vana Gierig begleitet, tritt mit einem über 50 Jahre alten deutschen Bandoneon auf. Es ist ein bemerkenswertes Instrument mit einer unglaublichen Bandbreite. Es kann ja beinahe weinen, oder umgekehrt sehr zackig daherkommen. Die Deutschen sind nun mal exzellente Instrumentenbauer.

Worüber erzählt die Poesie der Lieder?

Von der Anonymität der Städte, ihrer Bestialität, ihrer Verrücktheit, dem Nachtleben, der Einsamkeit, der Dekadenz. Da ist auch viel chanson réaliste, viel Paris drin. Es wird ein leidenschaftlicher Abend werden.

Wer ist Ihr Publikum?

Es gibt zwar ein Publikum, das mir treu ist, aber ich stelle immer wieder Veränderungen fest. Als mein Album ´Punishing Kisses´ herauskam, sah ich bei meinen Auftritten plötzlich ein junges Publikum, darunter Rocker, hippe Typen, die entdeckten mich wegen der Elvis-Costello- und Tom-Waits-Lieder, und wandten sich aber kurioserweise nicht ab, als ich wieder etwas anderes machte. Sie sind mir zumindest teilweise in meine verschiedenen Abenteuer gefolgt.

Stellen Sie bei den Vorlieben des Publikums geografische Unterschiede fest?

Sehr klare. Die Deutschen mochten sehr mein zeitgenössisches Album (´Between yesterday and tomorrow´), die stehen nicht auf alte Klamotten. Je cooler, je peppiger, je englischer, desto lieber. Ganz anders im Mittelmeerraum, dort mögen sie die älteren deutschen Lieder, das frankophone Repertoire, Nostalgie – es muss aber immer wieder ins Moderne rüberspielen.

Manche meinen, dass die Kunst mit der Wirtschaftskrise authentischer, ehrlicher wird.

Die Krise wirkt sich zunächst mal negativ aus, weil nur noch das extrem Kommerzielle angeschoben wird. Die großen schönen Festivals, wo auch Alternatives ins Programm kommt, streichen alle ihre Budgets zusammen. Ich war zu einer Hommage an Lluís Llach nach Porto Ferrara eingeladen, verschiedene Sänger sollten seine Lieder interpretieren. Ich hatte bereits begonnen, mich auf das Katalanische einzulassen und Lieder einzustudieren, aber das Konzert wurde aufgrund von Budgetproblemen abgesagt.

Dafür singen Sie seit kurzem auf Spanisch.

Endlich habe ich mich drangewagt. Es ist etwas anderes, wenn man sich einer Sprache über Musik annähert. Ein Lied zelebriert die Sensibilität einer Sprache besonders stark.

Welche Musik mögen Sie nicht?

Operette. Meine Mutter liebte das. Ich kann mit diesem oberflächlichen Geträller nichts anfangen.

Und Volksmusik?

Deutsche Volksmusik auf keinen Fall. Dagegen gefällt mir Flamenco sehr gut, der kommt nämlich aus der Urkehle. Wenn Volksmusik Schmerz, Traurigkeit, Klagen oder Freude aus der Tiefe, aus dem Ursprung heraus vermittelt, dann gefällt sie mir. Das ist zum Beispiel beim Tango der Fall, den man ja irgendwie auch als Volksmusik bezeichnen kann.

Selbst Lieder zu schreiben – war das ein großer Schritt?

Es steckte immer in mir drin, ich habe es einfach rausgelassen, eine neue Tür geöffnet. In den 25 Jahren, die ich beruflich auf der Bühne stehe, habe ich mich stark verändert, aber nie traumatisch oder abrupt, es gab keine Brüche, alles floss vom einen ins andere. Früher drängte ich hinaus, jetzt gehe ich mehr in mich hinein. Und versuche, mit weniger Aufwand mehr Wahrheit auszudrücken.

Angeblich malen Sie sogar.

Zum Malen komme ich schon seit längerem nicht mehr. Aber ich war eine Zeit lang direkt süchtig danach, habe diese Beschäftigung im Stillen sehr genosssen. Ich konnte meine Stimmbänder ausruhen und mich trotzdem ausdrücken. Auf sehr großen Leinwänden, sehr expressiv, jedes Bild eine Art visuelles Lied. Das nehme ich bestimmt mal wieder auf.

Sie sind mehrmals auf Mallorca aufgetreten. Welche Eindrucke haben Sie von der Insel mitgenommen?

Wenige, weil ich jeweils nur sehr kurz auf der Insel war. Mir fiel die Vegetation auf, und die Atmosphäre erschien mir sehr entspannt. Für diesen Besuch habe ich mir vorgenommen, mit meinem Partner und zwei meiner Kinder ein paar Tage zu bleiben, um die Insel endlich einmal kennenzulernen.

In der Printausgabe vom 17. Juni (Nummer 528) lesen Sie außerdem im Ressort Kultur:

- Festival für unbekannte Künstler

- Das fliegende Auge: Fotograf zeigt Mallorca von oben

Diese Artikel finden Sie auch hier.