Die Entscheidung ist gefallen: Laut Urteil vom Montag (31.1.) ist Zelle 4 jene, in der Frédéric Chopin und seine Geliebte George Sand den Mallorca- Winter 1838-1839 verbracht haben, und ist das in Zelle 2 ausgestellte Chopin-Klavier nie von dem polnischen Komponisten berührt worden.

Doch der Streit ist damit nicht beendet. Die Familien, in deren Besitz sich die Zellen 2 und 4 der Kartause von Valldemossa befinden und wo seit 80 Jahren Chopin-Pilger mit zwei Chopin-Museen nebeneinander bedient werden, sind seit Anbeginn zerstritten. Nun hat die Verbitterung die Seiten gewechselt: Hatte bislang die Familie Ferrà Capllonch den Rückhalt der Institutionen genossen – die Real Academia de Bellas Arte de San Sebastián hatte in den 40er Jahren offiziell deren Zelle 2 zur offiziellen Chopin-Behausung erklärt –, so hat nun ein klares und auf modernen Gutachten beruhendes Urteil die Verhältnisse dramatisch umgekehrt.

Die Inselpresse spart nicht mit Häme: Von einem „80 Jahre dauernden Betrug" ist zum Beispiel im „Diario de Mallorca" die Rede. „Man hat uns jahrzehntelang verunglimpft", sagt Familiensprecher Gabriel Quetglas. In einem Moment hätten die Behörden seine Familie sogar dazu gezwungen, eine Chopin-Plakette am Eingang zur Zelle 4 zu entfernen. Trotzdem hätte man nicht um Geld prozessiert, „es war eine Frage der Gerechtigkeit und des Stolzes". Das Urteil sieht daher keine Zahlung von Schadensersatz vor.

Die Summe wäre auch schwer zu ermitteln: Beide Familien sind Gesellschafter der Real Cartuja de Valldemossa S.L., die den touristischen Betrieb verwaltet und die Einnahmen (allein an Eintrittsgeldern wirft die Kartause an guten Tagen mehr als 6.000 Euro ab) unter ihren insgesamt acht Teilhabern nach einem festgesetzten Schlüssel verteilt.

Dennoch sind die Konsequenzen für die Besitzer der Zelle 2 dramatisch: Die Richterin Catalina Asela Munar verdonnerte die Betreibergesellschaft des Museums in Zelle 2 dazu, jegliche Hinweise auf den Aufenthalt des berühmten Paares zu tilgen und eine „korrigierende Verlautbarung" nicht nur an die Inselmedien, sondern unter anderem auch an „alle Chopin-Gesellschaften" zu senden, wonach die Zelle 4 die authentische Chopin-Wohnung sei.

Darüber hinaus muss ein mallorquinisches Klavier, das in der Zelle 2 als jenes ausgestellt wird, auf dem Chopin gespielt und komponiert habe, entfernt werden, weil das Gericht als nachgewiesen erachtet, dass der Komponist nie auch nur in die Nähe des Instruments gekommen sei – weil es laut Experten-Gutachten erst nach dem Chopin-Aufenthalt gebaut worden sein kann.

Als äußerst komplex stellte sich für das Gericht die Frage nach der authentischen Chopin-Zelle dar. Nicht umsonst waren unterschiedliche Institutionen und Experten während des 80 Jahre dauernden Streits zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die Familie Quetglas legte unter anderem Zeichnungen von Maurice Sand, des Sohnes von George Sand, vor, die vom Garten der Chopin-Behausung gefertigt worden waren und einerseits die Außenseite der Zelle, andererseits die Landschaft zeigen. Mit Lasergeräten stellten Gutachter Studien der Perspektiven an und kamen zum Schluss, dass Maurice seine Bilder im Garten der Zelle 4 gezeichnet hat.

Weitere Indizien fanden sich in den Büchern des Bankiers Bazil Canut, den die Familie Quetglas beerbte, bevor sie die Zelle 4 erwarb. Canut war der lokale Vertrauensmann des illusteren Paares gewesen und hatte alle Transaktionen penibel aufgezeichnet.

Rosa Capllonch, Sprecherin der Betreiber von Zelle 2, hat angekündigt, gegen das Urteil Einspruch zu erheben.

In der Printausgabe vom 3. Februar (Nummer 561) lesen Sie außerdem:

- Deutscher Verlag gibt Texte des Mallorquiners Cristóbal Serra heraus

- Nichtraucher und Voyeur: Kunstmaler Eduard Vich

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