Wenn er einmal anfängt, über die Gemeinsamkeiten zwischen einem Boot und einem Künstler zu sprechen, ist Fabrizio Plessi nicht mehr zu bremsen. „Das Boot steht für die Reise ins Unbekannte, für die Fahrt auf unmarkierten Wegen", sagt der Italiener mit der schlohweißen Mähne. „Wie der Künstler." Das Boot, führt er aus, sei die „Metapher für eine poetische Situation".

Manchmal treibt das Boot kieloben, blickt in den Abgrund. Auch das haben echte Künstler schon erlebt. Plessi, der abwechselnd in Venedig und auf einem Landgut bei Santanyí lebt, hat 14 tradi­tionelle mallorquinische Fischerboote – llaüts – kieloben in die Lonja gelegt und umgibt sie nun mit einer Komposition aus blauem Licht und Meeresmusik von Michael Nymann. Mit der Installation „Plessi Llaüt Light" ist am Samstag (25.6.) in Palma die alte Seehandelsbörse La Lonja wiedereröffnet worden, nachdem sie drei Jahre lang wegen Sanierungsarbeiten gesperrt war. Die Ausstellung wird ein Kernstück des mallorquinischen Kultursommers 2011 sein: zentral gelegen, frei zugänglich und täglich außer Montag bis Mitternacht offen – eine erstklassige Attraktion für Nachtschwärmer.

Eineinhalb Jahre lang hat ­Plessi an dem Projekt gearbeitet. Die llaüts sind echt: Gemeinsam mit Pilar Ribal, Kunstkritikerin und Kuratorin dieser Ausstellung, ist der 71-Jährige die Insel rauf- und runtergefahren und hat an ungeahnten Orten alte Fischerboote gefunden, die niemand mehr brauchte, doch von der Substanz her einigermaßen erhalten waren.

Eine llaüt fanden Ribal und Plessi auf einem Grundstück bei Sineu, in der Inselmitte, andere bei Manacor und Portocolom. Geholfen hat ihnen die „Vereinigung der Freunde der Llaüts". Der Bau dieser Boote ist eine sterbende Kunst. Zählte die Insel vor 100 Jahren noch schätzungsweise 1.500 handgefertigte llaüts, so gehören die nun in der Lonja ausgestellten Exemplare zum kümmerlichen Restbestand. Den Gnadenstoß versetzte ihnen die EU, die eine Zeit lang mallorquinische Fischer dafür bezahlte, ihre Boote aus dem Verkehr zu ziehen. Dafür mussten sie sie nur zersägen.

Plessi schüttelt es beim bloßen Gedanken an derartige Gewalt gegen liebevoll gefertigte Objekte. „Mit meiner Ausstellung will ich die kollektive Erinnerung wecken und diesem Kulturgut ein Denkmal setzen."

Im Katalog, der noch nicht erschienen ist, soll die Geschichte jeder einzelnen llaüt erzählt werden, auch die einer zersägten – die leider nicht in die Lonja passte (Plessi hätte seiner poetischen Metapher von Meer, Vergänglichkeit und Erinnerung gerne eine kritische Note hinzugesetzt).

Weil die Kulturbehörden finanziell aus dem letzten Loch pfeifen, trifft es sich gut, dass Plessi mit Louis Vuitton einen potenten Sponsor ins Boot holte. Deren Marketing-Vizepräsident Pietro Beccari erkannte prompt Parallelen zwischen llaüts und Design-Damen-Handtaschen: Beide seien von Hand gefertigt, beide hätten Persönlichkeit …

Mit „Llaüt Light" outet sich der renommierte Installationskünstler als Romantiker – „das gebe ich ohne Scham zu" – und kommt erstmals nach 20 Jahren ohne Bildschirm und Video aus. Noch im Jahr 2004 hatte er im Wasserspeicher (Aljub) des Kunstmuseums Es Baluard mit weißen Tüchern und visuellem Wasserfluss auf einer Bildschirmreihe eine indische Wäscherei simuliert.

„Plessi Llaüt Light", La Lonja, Palma, Öffnungszeiten bis Anfang September: täglich außer Montag 17 bis 24 Uhr. Dauer der Ausstellung: bis 2. Oktober. Eintritt frei.

In der Printausgabe vom 30. Juni (Nummer 582) lesen Sie außerdem:

- Leuchtzeichen aus dem 17. Jahrhundert

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