Vier Typen kommen auf die Bühne und zeigen erst mal rein musikalisch, was sie draufhaben. Schließlich handelt es sich um Klassik-Profis, auch wenn sie ihr Humor-Quartett im doppelten Sinn spaßeshalber betreiben. Sie spielen Jazz und Swing, dem Gitarristen entfahren Folk-Akkorde, aber dann intonieren sie das französische Kinderlied „Alouette".

Ab diesem Zeitpunkt wird das Konzert zur musikalischen Comedy. Denn das mallorquinische Quartett Le Carromato erzählt in seinem neuen Programm die Geschichte von vier Musikern, die auf Biegen und Brechen mit einem einzigen Lied möglichst viel Geld machen wollen, weshalb sie dasselbe Stück in so vielen Stilen darbieten, bis sie die Erfolgsformel gefunden haben.

Nach Probe-Darbietungen in Theatersälen der Insel-Hauptstadt feiert die Show „Alouette" am Samstag (6.8.) in der Burg Bellver in Palma Premiere. Weil die Comedy vor allem im Musikalischen und in der Gestik steckt, dürfte nicht nur sprachkundiges Publikum Gefallen finden an der Blödelei in der Burg.

„Bei aller Komik steckt auch Sozialkritik mit drin", sagt Carromato-Mitglied Miquel Àngel Aguiló. „In Kultur und Kunst dreht sich alles viel zu oft um dieses verfluchte Geld." Das habe er sich zum Beispiel bei einer Kunstausstellung (seiner Gemälde) vor zwei Jahren gedacht. Wahrscheinlich denkt er das auch bei Benefizveranstaltungen, die er immer wieder organisiert und wo es ja wirklich um Geld geht.

Dass Le Carromato vor Ideen sprüht, ist vor allem sein Verdienst. Der 43-jährige Turbo-Kreative gehört zu den umtriebigsten und vielseitigsten Kulturschaffenden der Insel. Bei der Komikertruppe spielt er das Cello, das er auch und vor allem bei „Al Ayre Español" und dem Orquesta Barroca de Sevilla bedient. Die beiden Formationen sind auf historische Musik spezialisiert, mit ihnen tourt Aguiló durch Europa.

Aber weil es langweilig ist, „immer nur mit schwarzem Anzug und Krawatte unter lauter ernsten Leuten zu sitzen", betreibt er musikalischen Ausgleichssport. Le Carromato ist nur einer. Im Jahr 2009 wirkte Aguiló am spanienweit „besten Pop-Album 2009" mit („Coser i cantar"), indem er die mallorquinische Kult-Band Antònia Font mit einem Sinfonieorchester begleitete, das er bei den Konzerten dirigierte.

Mit den Inselrockern trat er damals in ganz Spanien auf. „Der Erfolg hat uns überrumpelt." Es war, glaubt Aguiló, überhaupt das erste Mal, das eine spanische Band ein ganzes Sinfonieorchester mit auf die Bühne brachte. „Das ist nicht nur technisch kompliziert, sondern auch musikalisch und menschlich, weil zwei vollkommen unterschiedliche Welten aufeinandertreffen", erinnert sich Aguiló.

Sein eigentlicher Broterwerb ist das Komponieren, vor allem Filmmusik. Ausgerechnet jener Soundtrack, den er für seinen besten hält, liegt in einem abendfüllenden Spielfilm begraben, der aufgrund rechtlicher Probleme der Produktionsfirma nie das Licht der Kinos erblickt hat: „Bert" (1996) des mallorquinischen Regisseurs Luis Casasayas, zur Gänze gedreht auf der Insel und nur wenigen Zuschauern von Festivals und privaten Vorführungen her bekannt.

Eine wesentlich weitere Verbreitung haben Dokumentarfilme gefunden, für die Aguiló den Klangteppich gewoben hat. Dazu gehört auch jener Valldemossa-Film von Alix François Meier, der im Dezember 2010 im Club Mallorca Zeitung Premiere feierte. Andere Kompositionen hat der Mallorquiner für Ballett, Musical, Kammermusik und Open-Air-Spektakel geschrieben.

Und warum treibt es ihn auch zu Malerei und Bildhauerei? „Meine Familie", erklärt er. „Mein Vater war Violinist und Maler und Bildhauer, meine Mutter sang, ein Großvater spielte Klavier in den Stummfilm-Kinos, der andere schrieb Theaterstücke, malte, spielte Gitarre, eine Großmutter war Opernsängerin …"

Manchmal schwirrt ihm selbst der Kopf bei all den Ideen, die offenbar genetisch bedingt in ihm herumsprudeln. Sogar die Kultur scheint manchmal ein zu enges Feld. Bei einer Gemälde-Ausstellung probierte Aguiló ein neues Verkaufssystem aus: schriftliche Versteigerung, „aber die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Methoden ist hier eher gering".

Sehr ausgeprägt ist Aguilós soziales Engagement. Sobald sich irgendwo auf der Welt eine Katastrophe ereignet, kann er nur schwer ruhig sitzen bleiben. Nach dem Erdbeben auf Haiti zum Beispiel organisierte er zum Spendensammeln ein ganztägiges Cello-Dauerkonzert im Zentrum von Palma. Zuletzt initiierte er ein Fußballspiel zwischen Popmusikern und Schauspielern der Insel zugunsten einer Schule in Indien.

In Zukunft wird er vielleicht auch mal die Motorbegeisterten zur Solidarität verleiten, „bisher hat man ihnen wenig Gelegenheit dazu gegeben". Seine Idee: ein Auto stückweise verkaufen und wieder neu zusammensetzen.

Nicht einmal die Politik ist vor seinem Ideenreichtum sicher. Weil er für das gegenwärtige System keine Zukunft sehe, habe er schon mal ein neues entworfen. Weil das aber nun wirklich nicht sein Fach ist, hält Aguiló das Konzept unter Verschluss. Vorläufig.

„Alouette", Le Carromato, Samstag (6.8.), 21.30 Uhr, Castell de Bellver, Palma, Eintritt: 10 Euro. Vorverkauf unter anderem im Tourismusbüro C/. Almudaina, 9.

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