Sie gehören zu denen, die Palma mit ihrem alten Namen - Ciutat - bezeichnen. Sie kultivieren, intelligent und trotzig, den ästhetischen Rückschritt, der als Retrokultur en vogue ist. Auf Mallorca bedeutet dieser Blick nach hinten nicht nur, Ciutat zu sagen, sondern auch andere Orte der Insel so zu benennen, wie sie vor dem Tourismusboom hießen. Oder von Eissorten der Kindheit zu schwärmen, oder sich im Stil von Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts zu kleiden: eine Haltung, die Ablehnung und Verschlossenheit vermuten lässt. Doch falsch: Die Arrangements, Texte und Einstellung der mallorquinischen Erfolgsband Antònia Font sind sehr aktuell. Die „beste katalanischsprachige Band der vergangenen Dekaden" - so schwärmt die spanische Presse - macht energiegeladenen Pop mit allem, was klingt, neben klassischen Instrumenten wie Keyboard, Gitarre, Bass und Schlagzeug.

Die Texte zeugen zudem vom Faible des Komponisten und Bandleaders Joan Miquel Oliver für den Surrealismus und für Techniken, die Strömungen des Unterbewusstseins ungefiltert zum künstlerischen Ausdruck bringen. Sie sind allesamt nach der Methode der écriture automatique entstanden: nicht strukturieren, nur assoziieren.

Wenn dazu noch ansprechende Melodien mit vielen Zwischen­tönen kommen und ein atypischer Umgang mit Dur und Moll, dann entsteht ein Produkt, das landesweit als „nicht durchschnittlich" gefeiert wird - und außerordentlich erfolgreich ist. Gerade bekam das Quintett seine erste Goldene Schallplatte für 20.000 verkaufte Kopien der vorherigen Scheibe „Lamperetes" (Lämpchen).

Nun beweist es aufs Neue Kreativität und Eigenwilligkeit. Vergangene Woche wurde in Porreres und in Vic (Katalonien) das achte Album vorgestellt, das experimenteller als die vorherigen ist und das gängige Liedformate ignoriert: Nur ein bis eineinhalb Minuten lang sind die 40 Songs von „Vostè és aquí" (Sie befinden sich hier), und ihre Arrangements sind teils ungewöhnlich schrill, hart oder atonal. Andere Lieder klingen geradezu zärtlich, wie die Ballade über ein sechsjähriges Mädchen, „das dienstags zum Taekwondo geht".

„Wir wollten die Grenzen erforschen und mit Genres, Sprachen und Traditionen experimentieren", sagt Joan Miquel Oliver. Der Herbst ist bereits mit Konzerten in ganz Spanien gefüllt, nur selten werden die Musiker ein Wochenende zu Hause verbringen.

Dabei vergessen sie nicht ihre Insel, im Gegenteil: Sie engagieren sich gegen den geplanten Bau eines Hotels in sa Ràpita, stehen für die katalanische Sprache ein, wann immer sie gebraucht werden und sind sich generell der Rolle bewusst, die ihnen seit einigen Jahren zuteil geworden ist: Die Band ist Botschafterin einer Insel, die in keinem Reise­prospekt auftaucht. Sie steht für das andere Mallorca, das unpolierte, das eigenwillig mallorquinische.

„Wir haben nichts dagegen, dass Leute von auswärts kommen", sagt Oliver über den Tourismus. „Die meisten sind ja freundlich und respektvoll. Du kannst eine kleine Bar aufmachen, ihnen ein Bierchen verkaufen. Schlimm wird es, wenn du denkst: Hier verdienen wir uns dumm und dämlich, und wenn du über zwei Kilometer hinweg ein Hotel neben das andere stellst."

Songs wie „Islas Baleares" (von Sänger Pau Debon mit englischem Akzent ausgesprochen) thematisieren mit Ironie die Vielschichtigkeit der Insel und ihrer Bewohner und hinterfragen zugleich den unoriginellen Werbeslogan der Landes­regierung „Vier Inseln, vier Welten". Debon singt „Alle sind anders, es gibt nicht zwei gleiche, ein Haufen Leute, Islas Baleares" und betont damit die Banalität des Slogans.

Nicht alle verstehen diese Ironie oder kennen die gesellschaftliche Realität Mallorcas. Das wissen die Fünf, aber, wie Joan Miquel Oliver sagt, „unsere Alben sind wie Disney­filme, die sich eigentlich an Kinder richten, aber auch Späße für die Eltern einbauen. Mallorquiner verstehen in unseren Liedern Einiges, aber wenn du kein Mallorquiner bist kannst du sie genauso genießen."

Noch etwas charakterisiert die Band, die seit ihrer Gründung im Jahr 1997 mit Ambivalenz und auch Sinnfreiheit in den Texten spielt: Gelassenheit und Selbstironie, Eigenschaften, die man dem Inselvolk generell zuschreibt. Als selbsternannte Ur-Mallorquiner lehnen sie eine zwischen Globalisierung und Kommerzialisierung angesiedelte Moderne ab. Sie halten mit Provinzialismus und Verspieltheit dagegen.

„Platten aufnehmen, das ist eigentlich keine seriöse Arbeit", sagt Oliver, „Schweineschlachten schon, denn ein ganzes Jahr lang schlechte Sobrassada essen zu müssen, das ist für uns Mallorquiner die Hölle."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 20. September (Nummer 646) lesen Sie außerdem:

- "Kreuzende Souren" - ein ungewöhnliches Kulturprojekt

Hier geht's zum E-Papier: epaper.mallorcazeitung.es.