Es ist ein halblautes und doch gellendes Jauchzen, das durch die schmale Portella-Gasse unweit der Kathedrale hallt: „I adoooore him" (ich beeeete ihn an), stößt eine englischsprachige Urlauberin ekstatisch wie ein Schulmädchen hervor, als ihr auf dem Schild am prachtvollen Stadt-Palast, der Palmas Dalí-Museum beherbergt, der Name des großen Surrealisten ins Auge sticht. Wolfgang Hörnke, Betreiber des Hauses, das offiziell fast schamhaft scheu „Museo Can Morey de Sant Martí" heißt um Ärger mit Dalí-Museen in Katalonien zu vermeiden, lächelt das gelassene Lächeln desjenigen, der auf einer Goldgrube sitzt. Und das tut er wörtlich, denn er lebt oben.

„Bis zu 130 Besucher kommen inzwischen täglich", freut sich der Kunsthändler aus Bonn. Er verwirklichte vor knapp einem Jahr seinen Lebens­traum und zeigt rund 200 Grafiken und Radierungen des vor einem Viertel­jahrhundert verstorbenen katalanischen Künstlers. Die Werke sicherte sich Hörnke durch seine Freundschaft mit der Pariser Familie Argillet, die bestens mit dem Maler-Gott aus Figueres bekannt war.

„Besonders lieb sind mir die osteuropäischen Besucher, denn sie sind so ungeheuer wissbegierig," bilanziert Hörnke. Auch etliche Chinesen hätten bei ihm schon ihr Dalí-Interesse bekundet, indes sich die Skandinavier mit besonders ausgeprägter Lust auf die diversen Dalí-Devotionalien im Museumsshop stürzten. Die Zusammenarbeit mit dem Touristik-Konzern Tui, dessen Mitarbeiter mehrsprachige Flyer am Flughafen und in Hotels verteilen, tue ihr Übriges. „In diversen ­Reiseführern sind wir auch schon vertreten", sagt Wolfgang Hörnke.

„Dalí hat einfach Pep"

Genauso wie die englischsprachige Frau am Eingang reagieren viele bereits beim Anblick der weltweit bekannten Unterschrift des Meisters der Selbstinszenierung. Mit markantem Schnurrbart und stechendem und zugleich verunsicherndem Blick schlug Salvador Dalí schon mal Fensterscheiben in einem Museum ein. „Dalí hat einfach Pep", erklärt sich Hörnke die Begeisterung nicht nur bei Frauen, sondern sogar bei Jugendlichen. „Er war nun einmal ein verrückter und intelligenter Superstar, ein Wirbelwind." Und er machte „dicke Kohle".

Das sind nicht zufällig neumodische Begriffe. Zu Dalí gehen ist einfach cool. „Dalí war wie der Pop-Art-Künstler Andy Warhol", sagt Wolfgang Hörnke. „Er bleibt ewig jung." In dem herrschaftlichen Stadtpalast mit den blankgewienerten Böden ist denn auch nichts altbacken. Um die Fetzigkeit des Malers, der unter anderem durch seine zerfließenden Uhren und Tiere bekannt wurde, zu unterstreichen, soll demnächst gar ein Raum mit drapierten Schaufensterpuppen und einer ständig angestrahlten blitzenden Disco-Kugel eingerichtet werden.

Der Dalí-Hype ist dabei beileibe kein mallorquinisches Phänomen. Über 7.000 Besucher am Tag strömen derzeit in das Königin-­Sofía-Museum in Madrid, wo noch bis zum 2. September eine große Ausstellung von Gemälden läuft. Die spanische Zeitung „El Mundo" sprach in diesem Zusammenhang bereits von einer veritablen „Orgie".

Gummibärchen für die Kids

Klar, Hörnke schiebt in seinem Palast, wo jede Grafik lediglich 25.000 bis 40.000 Euro wert ist, eine ruhigere Kugel. Aber Dalí ist nun mal jetzt auch in Palma, und die Besucherzahlen können sich ebenfalls sehen lassen. Und damit das anhält, muss auch jenseits vom Verteilen von Flyern PR-technisch einiges unternommen werden: So sind zusammen mit anderen Museen auf Mallorca etliche Dalí-Bücher geplant. „Wir veranstalten außerdem vier bis fünf Konzerte in diesem Jahr", sagt Hörnke. Auch die deutsche Konsulin Regina Lochner werde beizeiten hier ihr Gesangstalent unter Beweis stellen. Für solche Gelegenheiten steht ein spezieller, besonders hochherrschaftlicher Saal zur Verfügung.

An diesem Mittwoch (12.6.) etwa wurde der Besuch eines deutschen Künstlers erwartet. „Der studierte Jugendpsychiater und Künstler SAXA alias Dr. Sascha Lehmann stellt bei uns ein Dalí-Porträt vor, das in Siebdrucken im Museumsshop angeboten wird," erzählt Hörnke. Die Spezialität des 38-jährigen SAXA ist, Texte auf Porträtfotos von Stars zu verewigen. In diesem Fall kommen Dalí-Zitate wie dieses vor: „Mein ganzer Ehrgeiz auf dem Gebiet der Malerei besteht darin, die Vorstellungsbilder der konkreten Irrationalität mit der herrschsüchtigen Wut der Genauigkeit sinnfällig zu machen."

Ungeachtet der Vielseitigkeit der Veranstaltungen schaudert Hörnke davor, dass das Museum zu einer Art Spaß- und Selbstdarstellungsbude verkommen könnte. „Wir wollen kein Event-Lokal werden." Und der vorlaute Deutsche, der den Spaniern zeigt, wie man museumstechnisch erfolgreich sein kann, wolle er „auf keinen Fall sein", weswegen die Zusammenarbeit mit Insel-Künstlern bereits praktiziert und in Zukunft vertieft werden soll.

Um junge Mallorquiner für den Meister zu begeistern, lässt Wolfgang Hörnke übrigens auch Schulklassen organisiert durch die Räumlichkeiten schleusen. „Und die Firma Haribo aus meiner Heimatstadt Bonn spendiert für sie die Gummibärchen", freut er sich.

Das Museum Can Morey de Santmartí befindet sich in der Carrer Portella, 9 in Palma. Es ist täglich von 9.30 bis 19 Uhr geöffnet. Eintritt: 9 Euro (Studenten und Rentner: 7 Euro, Residenten: 5 Euro, Kinder bis zehn Jahre gratis), Tel.: 971-72 47 41, E-Mail: info@museo-santmarti.es, info@museo-santmarti.eswww.museo-santmarti.es

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 13. Juni (Nummer 684) lesen Sie außerdem:

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