Es ist vor allem die Unrast von Mallorcas Mittelalter-Philosophen und -Mystiker Ramón Llull (1234-1315 oder 1316), die Joan Avellaneda fasziniert. „Er war auf Zypern, in Jerusalem, der heutigen Ost-Türkei, Paris, Rom, Marseille, Avignon, Tunis, San­tiago de Compostela und so vielen anderen Orten", begeistert sich der auf der Insel wohnhafte Kulturmanager, Reiseleiter und studierte Geograph. „Das war für die damalige Zeit eine ungeheure Leistung."

Aus Anlass des insbesondere 2016 zu feiernden 700. Todestages des Großgeistes - in welchem Jahr er genau starb, ist strittig - hat Avellaneda nun eine didaktisch konzipierte Website (www.rutesramonllull.com) und eine Smartphone-App ersonnen. Interessierten wird darin mit kurzen Texten, Filmen und Karten das Leben dieses Philosophen, Theologen und Dichters nahegebracht, der die Vernunft als Dreh-und Angelpunkt der Existenz predigte und damit ein Vorläufer des Humanismus war. Zum Llullschen Wesen passt auch die Viel­sprachigkeit des Auftritts: Auf Katalanisch, Spanisch, Baskisch, Galicisch, Englisch und nunmehr auch auf Deutsch wird das Leben und Wirken des Denkers erklärt. „Er sprach Katalanisch, schrieb Liebesgedichte auf Provenzalisch und lernte auch Latein und das damals nach der christlichen Eroberung auf Mallorca noch nicht verschwundene Arabisch", sagt Joan Avellaneda.

Im Mittelpunkt des Auftritts steht vor allem der geographische Aspekt. Die Nutzer erfahren, wo Ramon Llull in Europa und auf Mallorca lebte, reiste und wirkte. Auf der Insel sind dies unter anderem Orte wie die Klöster Miramar, Cura und La Real. Das Grab Llulls befindet sich in der Kirche Sant Francesc in Palma. Erklärt wird in dem Auftritt auch, wie genau man dort hingelangt, inklusive welche öffentliche Verkehrsmittel genommen werden können.

Auch von den vielen Reisen abgesehen, sei Llulls wundersame Wandlung vom reichen und gebieterisch daherkommenden Spielgefährten des Mallorca-Königs zum asketischen Eremiten faszinierend. „Ramon Llull erschien mit 33 Jahren in fünf aufeinander folgenden Nächten der Gekreuzigte, woraufhin er seinem bequemen Leben den Rücken kehrte, Frau und Kinder wohlausgestattet mit Geld zurückließ, auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgerte und eine ganz andere Existenz anfing."

Joan Avellanada hat Erfahrung darin, etwa bei Führungen die nicht ganz leichte Llull-Kost zu vermitteln. So sind auf der vom Franziskaner-Orden, dem spanischen Erziehungsministerium sowie der Stadt Palma finanzierten Website auch drei Spiele zu finden, darunter eines mit der Llullschen Leiter der Erkenntnis. Die Nutzer sollen die richtige Rangfolge zwischen Stein und Flamme und Engel und Gott bestimmen. In einem weiteren Spiel müssen sie herausfinden, welche Eigenschaften der Philosoph als Tugenden und welche er als Laster sah. In einem dem traditionellen spanischen Würfelspiel „La Oca" nach empfundenen Spiel schließlich erfährt man Details aus dem Leben eines Mannes, den Joan Avellaneda auf Augenhöhe mit dem etwa zwei Jahrhunderte später geborenen Renaissance-Universalgenie Leonardo da Vinci sieht.

Nicht nur das anstehende Llull-Gedenkjahr hat Avellaneda dazu bewogen, dem Denker ein virtuelles Denkmal zu setzen. Ein guter Anlass aber sind die Feierlichkeiten allemal. „Viele vor allem junge Mallorquiner wissen gar nicht so recht, wer das überhaupt war." Dabei hätten die Menschen von heute es verdient, ihn besser kennenzulernen, zumal Llull selbst sich ja bemühte, die Menschen in ihrer Sprache - also nicht auf Latein, sondern auf Katalanisch - über Philosophisches und Theologisches aufzuklären, etwa im „Llibre del gentil e los tres savis" (Das Buch vom Heiden und den drei Weisen).

Die App ist für iOS (Version 6.1 und höher) sowie Android kostenlos erhältlich. Informationen zu den reell von Joan Avellaneda geführten Llull-Rundgängen unter Tel.: 971-44 94 06.

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