Pablo Mielgo könnte wahrscheinlich auch Israelis und Palästinenser an den Verhandlungstisch bringen - so ruhig, so diplomatisch und ausgleichend gibt sich der seit August 2014 waltende musikalische Leiter der Balearen-Sinfoniker. Der 39-jährige Madrilene gilt als einer der herausragenden Musiker seiner Generation, doch hat er im zurückliegenden Dreivierteljahr vor allem Brände gelöscht und versucht, die Gräben zu schließen, die sich vor seinem Amtsantritt auch zwischen einzelnen Musikern des Ensembles aufgetan hatten. Der im Juli vergangenen Jahres überraschend geschasste Dirigent Josep Vicent hatte polarisiert - ein Teil der Musiker liebte ihn, der andere stand kurz davor, alles hinzuwerfen. Dazu kam das Zittern um den Fortbestand des Ensembles.Die monatelange Durstrecke, in denen Gehälter nicht ausbezahlt wurden, ist inzwischen vorbei. Zu einem Teil ist das auch der Verdienst des Österreichers Josef Egger. Der 90-Jährige, der die Vereinigung „Amics de la Simfònica" gründete, um zusätzliche Veranstaltungen auf die Beine zu stellen und so mehr Unterstützung für das Ensemble zusammenzutrommeln, lud am Montag (18.5.) das gesamte Ensemble zum Mittagessen ins Luxushotel Castillo Son Vida - als Dank für dessen Einsatz beim Frühlingskonzert mit Startenor Johan Botha und der Wiener Sopranistin Daniela Fally. Beim Essen wurde Geschlossenheit demonstriert und Egger ein verspätetes Geburtstagsständchen gesungen.Vorher sprach Dirigent Mielgo mit der MZ. Der Madrilene ist mit der Regensburgerin Nina Heidenreich verheiratet, Solo-Violinistin beim Philharmonic Orchestra Qatar. Am Donnerstag (21.5.) dirigiert Mielgo das letzte Konzert der Abo-Saison im Auditorium (siehe Kasten).

Herr Mielgo, hat es nach außen hin nur den Anschein, oder war die Saison wirklich so friedlich?

Angesichts der Unruhe, die es in den vergangenen Jahren innerhalb des Ensembles gegeben hatte, war es tatsächlich eine sehr ruhige Saison. Ich war gespannt, wie es laufen würde. Aber ich bin sehr zufrieden und könnte mir gut vorstellen, auch über meinen derzeitigen Vertrag, der bis 2017 läuft, auf der Insel zu bleiben.

Trotzdem gab es in dieser Woche wieder Negativschlagzeilen. Die Musiker zeigten den umstrittenen Geschäftsführer Marcelino Minaya an, weil er einer Verwaltungskraft jahrelang doppelte Zulagen bezahlt hatte - in einer Zeit, als die Musiker Gehalts­kürzungen hinnehmen mussten.

Ich persönlich lasse mich nicht in diese Geschichten hineinziehen, zumal das lange vor meiner Zeit war. Aber intern versuche ich natürlich zu vermitteln. Ich bestehe darauf, dass solche Konflikte im Dialog beigelegt werden. Wir sind alle angetreten, um hier ein langfristiges Projekt aufzubauen, und wir haben das Personal dazu. Das sollten wir nicht durch solche Dinge aufs Spiel setzen. Wir sind auf einem guten Weg und haben auch spürbar mehr Publikum als vor einem Jahr.

Das Auditorium ist dennoch bei manchen Konzerten halbleer, und das in einer Stadt wie Palma, die so vom Tourismus geprägt ist.

Natürlich sollte es möglich sein, das Auditorium zu jedem Konzert bis auf den letzten Platz zu füllen.

Dafür brauchen wir aber auch ­Profis in Marketing und Werbung, was bisher nicht der Fall war. Inzwischen tun wir da einiges. Wir haben ein finnisches Unternehmen unter Vertrag genommen, das uns hilft. Außerdem haben wir eine sehr engagierte Mitarbeiterin für die sozialen Netzwerke.

Es scheint auch sehr vom Programm abzuhängen, ob die Leute kommen oder nicht.

Ja, wir merken es vor allem daran, ob ein Solist angekündigt ist oder nicht. Mit einem Solisten als Zugpferd kommen die Leute eher. Wir könnten natürlich nur populäre Werke mit Solisten aufführen, dann wären die Konzerte gut besucht. Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sind ja auch eine Art Museum und haben die Verpflichtung, die Musik in ihrer gesamten Bandbreite darzubieten. Und da müssen wir uns ein Stück weit frei machen vom Geschmack des Publikums.

In anderen Städten wiederholen Sinfonieorchester ihre Programme zwei-, drei- oder viermal in einer Woche. Da müsste man doch hinkommen!

Das wäre ideal. Es würde den Kontakt zum Publikum deutlich er­höhen. Die Musiker brauchen

mindestens zweimal im Monat diesen Kontakt, dafür leben sie schließlich. Momentan spielen wir 14 bis 15 Konzerte mit unterschiedlichem Programm. Zumindest derzeit ist das in Palma aber nicht vorstellbar, mehrmals das gleiche Programm zu geben - es fehlt die Nachfrage.

Wie wollen Sie in den kommenden Jahren die Sinfoniker der Insel­gesellschaft näherbringen?

Wir müssen auf jeden Fall beim Programm ansetzen und mehr Ausgeglichenheit herstellen - von allem ein bisschen. Und wir müssen mehr Konzerte im Sommer anbieten. Das Festival auf Castell Bellver mit diesmal vier Terminen geht in diese Richtung. Doch es sollte nicht dabei bleiben. Auch einen Kammermusik-Zyklus planen wir. Im Sommer wollen wir ein großes Konzert zum 25. Geburtstag der Sinfoniker veranstalten, mit dem Tenor Juan Diego Flórez. Hinzu kommen Projekte wie eine Akademie in Zusammenarbeit mit dem Konservatorium. Sie soll sich auch an Jugendliche von außerhalb der Inseln richten. Außerdem schweben uns Sozialprojekte mit Auftritten in Krankenhäusern oder dem Gefängnis vor. Doch dafür gab es bisher noch kein Geld. Und wir wollen etwas mit Kindern machen.

Und welche Verbesserungen schweben Ihnen für das Ensemble an sich vor?

Oh, da gibt es noch einigen Verbesserungsbedarf. Das Erste ist, der Belegschaft Stabilität zu geben. Das bedeutet, wir müssen die offenen Stellen schnell besetzen und uns um Verstärkungen bemühen. Dann brauchen wir unbedingt einen Probenraum mit professionellen Bedingungen. Außerdem muss geklärt werden, wo wir unter welchen Bedingungen auftreten. Wir haben zum Beispiel noch keine Ahnung, welche Rolle künftig der Kongresspalast spielen wird, oder wann genau wir im Auditorium und im Teatre Principal auftreten. Vielleicht können wir auch in absehbarer Zeit mal das Ensemble aufstocken.

Welche Rolle spielt Josef Egger für das Orchester?

Er war immer ein großer Freund des Orchesters. Die Gründung seiner Vereinigung der Freunde

der Sinfoniker ist lebenswichtig für uns.

Können Sinfonieorchester in Zukunft nur noch mit einem privaten Mäzen überleben?

Ich glaube, es ist wichtig, dass die Gesellschaft sich zu einem Teil mit engagiert. Trotzdem: Das Orchester muss immer öffentlich bleiben. Die Kultur ist eine Verpflichtung des Staates. Das gibt ihr ein Fundament und auch eine gewisse Freiheit. Niemals darf ein solches Orchester privatisiert werden.

Aber die Angst davor ging zeitweise um ?

Die Musiker hatten keine Angst davor. Es gab aber eine Reihe von Leuten, die versuchten, hier einen Konflikt aufzubauen und Ängste zu schüren. Dabei stand es nie zur Debatte, das Orchester zu privatisieren. Niemals.