Ramon Llull, dessen Todestag sich zum 700. Mal jährt und der bis 2016 gefeiert wird (s. u.), hat ein großes Problem. Kaum jemand versteht, was er eigentlich gemacht hat - und das, obwohl er fast 280 Bücher schrieb.

Gehen wir also gemeinsam mit Noel Blanco Mourelle, einem 31-jährigen galicischen Historiker, der derzeit an der New Yorker Columbia University über den mallorquinischen Theologen und Philosophen promoviert, ein paar Eckdaten durch. Der 1232 in Palma geborene Sohn eines katalanischen Ritters war zunächst ein Lebemann und als lyrischer Troubadour unterwegs, hatte Frau und Kinder und lebte ein Leben in Wohlstand. Im Alter von dreißig Jahren erschien ihm dann mehrmals der gekreuzigte Jesus. Er verließ die Familie auf der Suche nach Gott und begann sich der Bekehrung der Ungläubigen zu widmen.

In der Einsamkeit auf dem Berg Randa im Zentrum Mallorcas überkam ihn dann eine ­Vision, in der Gott ihm die Inspiration für das lieferte, was später zu seinem großen Werk „Ars ultima generalis" und zum Leitfaden ­seines Handelns werden sollte. Die Ars Magna, die große Kunst, sei es, wie man mittels logischer Kombination zu Erkenntnissen kommt. Einer dieser Aspekte war, Ungläubige durch Argumentieren vom Christentum zu überzeugen. Dazu ging er auf Reisen, die ihn zu Gelehrten, Königen und Päpsten führten, sowie mehrmals nach Nordafrika, wo er seine Bekehrungs-Strategie persönlich an den dort lebenden Muslimen ausprobierte.

Ramon Llull sei insbesondere aus drei Gründen ein ungewöhnlicher Mann für seine Zeit gewesen, sagt Noel Blanco. Zum einen sei es der Gedanke gewesen, die Kunst der Debatte in den Vordergrund des Handelns zu stellen. Zweitens sei die Umsetzung dieses Gedankens bei seinen Reisen durch Europa und Nordafrika bemerkenswert gewesen. Und drittens sei da sein literarisches Schaffen gewesen, insbesondere in seinem Roman „Blanquerna".

Blanco gibt zu, dass die Vermittlung der Bedeutung Llulls gegenüber Laien schwierig ist. Ein am Dienstag (24.11.) in Palma begonnener wissenschaftlicher Kongress etwa findet weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Meistens rede ich nur mit Menschen mit

dicken Brillen über das Thema. Die Gespräche sind sehr akademisch. Es ist eine Herausforderung, die Essenz Llulls in einfache Worte zu verpacken." Daneben leide die Vermittlung Llulls auch an vielen Verleumdungen und falschen Vorstellungen, die sich um den Philosophen ranken. „Etwa, dass er Alchemist gewesen sei oder sich den schwarzen Künsten gewidmet habe. Es ist mittlerweile belegt, dass das nicht stimmt."

Überhaupt war die Resonanz auf Llulls Thesen gespalten. Der Gedanke der friedlichen Missionierung kam in Teilen der Kirche nicht gut an. Bis heute bleibt der Mallorquiner ein polarisierender Charakter innerhalb der Kirchengeschichte. So wurde er im 18. Jahrhundert zwar selig gesprochen, „aber nicht durch einen formellen Prozess, sondern aufgrund der Popularität und der Verehrung, die er auf Mallorca genoss", erklärt Noel Blanco.

Eine Heiligsprechung ist immer wieder gefordert worden und wird auch im jetzigen Gedenkjahr zur Sprache kommen. „Llull hatte immer schon mächtige Feinde und Befürworter. Im 16. Jahrhundert etwa setzte sich König Philipp II. für seine Heiligsprechung ein, stieß jedoch auf den Widerstand der Inquisition." Ob es unter Papst Franziskus klappen könnte, will Noel Blanco nicht prophezeien. „Es wäre jedenfalls ein gutes Zeichen für den Vatikan, der damit beweisen könnte, dass er interne Debatten normalisieren kann. In vielerlei Hinsicht ist die Meinungsvielfalt in der Kirche heute wesentlich geringer als noch im Mittelalter."

Neben den theologischen Debatten beschäftigte sich Llull in seinen knapp 280 Büchern auch mit anderen Aspekten des Lebens, wie der Astronomie, der Physik, der Mathematik oder der Pädagogik. Und er schrieb auch Romane. „Blanquerna" hebt der Historiker Blanco nicht zufällig hervor. „Auf literarischer Ebene ist es kaum mit anderen Werken seiner Zeit zu vergleichen. Neben den narrativen enthält es etwa auch viele mystische Element. Es ist ein erzählerisches Meisterwerk."

Dass Ramon Llull das Buch auf Katalanisch schrieb, verrate viel darüber, wen er damit erreichen wollte. Neben seiner Muttersprache schrieb der Gelehrte auch auf Latein und Arabisch. „Latein benutze er immer dann, wenn sich das Buch an kirchliche oder staatliche Autoritäten wandte. Katalanisch und Arabisch verwendete er bei seinen populäreren Schriften." Der arabische Teil seines Werkes sei noch recht wenig erforscht. „Aber die Kenntnis der arabischen Sprache war ein wichtiges Element, um seine Debatten mit den Muslimen in Nordafrika führen zu können."

Und dann ist da schließlich noch diese Geschichte, Ramon Llull habe - mit seinem Überlegungen zur Logik - die Grundlagen für die heutige Informatik, im Grunde also die Basis für den Computer geschaffen. „Ich möchte kein Spielverderber sein, aber diese Geschichte ist übertrieben", sagt der Historiker. „Die heutige Informatik geht viel weiter. Man kann es vielleicht so formulieren: Ramon Llull war ein Wegbereiter der Kombinatorischen Logik, auf der die heutige Informatik beruht."