Die Berliner Philharmoniker haben eine, das Opernhaus Zürich und auch das Bruckner Orchester in Linz. Nun haben auch die Sinfoniker der Balearen eine Akademie für junge Musiker. Mit Beginn des neuen Jahres fördert das Ensemble in der sogenannten Acadèmia simfònica nun systematisch den Nachwuchs.

Ab dem 22. Januar sollen internationale Absolventen von Hochschulen oder Mitglieder von Jugendorchestern auf Mallorca Praxiserfahrung sammeln. Die Ausbildung wird während der laufenden Spielzeit in drei Blöcken stattfinden. Unterstützt wird das Projekt von Palmas Hoteliersverband, der den Teilnehmern Unterkünfte stellen wird.

Die erste Gruppe besteht aus rund 30 jungen Musikern aus Spanien, Deutschland, Kolumbien und Venezuela. Sie werden jeweils zehn Tage lang mit dem Orquestra Simfònica Illes Balears (OSIB) proben und am Ende jeden Blocks mit dem Ensemble auftreten. „Sie sollen den Alltag eines Orchesters mitbekommen und so in das Berufsleben finden", sagt der künstlerische Leiter Pablo Mielgo.

Aber auch Kammermusik oder intensive Auseinandersetzung mit den Kompositionen von Gustav Mahler stehen auf dem Lehrplan. Zu den drei großen Konzerten kommen kleinere Auftritte, auch in Schulen, Krankenhäusern und im Gefängnis von Palma. „Der ganz normale Alltag der Sinfoniker eben", so Mielgo.

Die Ausschreibung lief in Zusammenarbeit mit vier Ausbildungseinrichtungen: Der Musikhochschule in Palma, dem Joven Orquesta Nacional de España in Madrid, dem Jungen Orchester NRW im Ruhrgebiet und der Academia Iberoamericana, einem Zusammenschluss kolumbianischer und venezolanischer Institutionen.

Das internationale Zusammentreffen soll auch einen Vergleich unter den Teilnehmern ermöglichen und ihnen verdeutlichen, „wo sie stehen und welches Wachstums­potenzial sie noch haben", erklärt Mielgo.

In der Jury saßen Solisten des OSIB. Rund die Hälfte der Auserwählten stammt von den Balearen. „Die Herkunft war aber nicht ausschlaggebend", beteuert Mielgo. Wie auch bei den professionellen Orchestern üblich, hätten die Bewerber beim Vorspiel vor ein paar Wochen im Konservatorium hinter einem Vorhang gespielt.

Dennoch ist klar, dass Mielgo vor allem einheimischen Absolventen der Musikhochschule Perspektiven bieten will. „Die Akademie ist ein Teil unseres pädagogischen Anliegens hier auf den Inseln", sagt der Madrilene, der seit rund eineinhalb Jahren das Ensemble leitet. Das Praktikum beim OSIB garantiere zwar keine Anstellung, so Mielgo, „aber herausragende Talente versuchen wir natürlich zu halten". Mielgo wünscht sich generell mehr Musiker für sein Ensemble, vor allem bei den Streichern. Da er aber „eine rein öffentliche Einrichtung" leitet und das Geld für Kultur in Spanien nach wie vor knapp ist, wird sich die gewünschte Erweiterung wohl nicht so schnell realisieren lassen.

Das Überleben, um das die Musiker unter der konservativen Vorgängerregierung bangen mussten, ist jedenfalls gesichert, auch dank des Sponsors Mirabaud und des Fördervereins Amics de la Simfònica. Beides sei als positive Folge der vergangenen, schwierigen Jahre zu werten, so Fagotist Gerard Beltrán. Die Angst vor dem Rotstift und die politischen Ränkespiele rund um das Orchester hätten dessen Mitglieder zusammen geschweißt, sagt Beltrán. Der Valencianer hat während der stürmischen Zeit als Sprecher immer wieder die Interessen seiner Kollegen vertreten.

Er und sein Ensemble haben im vergangenen Mai aufgeatmet. „Seit dem Regierungswechsel spüren wir, dass die Verantwortlichen es gut mit uns meinen", sagt auch Dirigent Pablo Mielgo, der den Posten seit August 2014 innehat, „das erleichtert uns die Arbeit ungemein."

Der Jahresanfang ist also auch ein Neuanfang für die Sinfoniker. Mielgo will das Orchester noch besser positionieren, es künstlerisch und gesellschaftlich stärken und die pädagogische Linie ausbauen, gemeinsam mit der neuen, 33 Jahre alten Geschäftsführerin Mar Rescalvo Pons. Es soll mehr Konzerte an ungewöhnlichen Orten und mehr Benefizveranstaltungen geben, auch als Dank für die lautstarke, gesellschaftliche Unterstützung in den vergangenen Jahren.

Und bei der Nachwuchs­förderung hat Mielgo nicht nur an Hochschulabsolventen gedacht. Er will in diesem Jahr auch das erste Kinderorchester gründen. Es soll an einer öffentlichen Grundschule in Palma entstehen, zunächst nur mit Streichinstrumenten. Die Schule ist schon gefunden, der Name soll im Frühjahr bekannt gegeben werden: „Ein Ort mit Integrations­schwierigkeiten", so Mielgo. Damit will der Madrilene beweisen, wie tiefgreifend die Wirkung von Musik sein kann.

Er strebt eine regionale Bewegung an: Ein Orchester an jeder öffentlichen Schule. Schon mit einer Stunde Musikunterricht am Tag sei das zu schaffen, sagt er.

Bleibt nur zu hoffen, dass Kultur fortan nicht mehr politisiert wird. Wenn die Verantwortlichen Mielgo in Ruhe walten lassen und ihm genügend Zeit geben, kann er sein Ziel erreichen. Mielgos Vertrag läuft 2017 aus. Gegen eine Verlängerung habe er nichts einzuwenden, sagt er vergangenen Mai im MZ-Interview. Der Mann scheint es ernst zu meinen.