Noch liegen die in Keramik gebrannten Figuren gleich links am Eingang in Gustavos Atelier. Hier, nur wenige Hundert Meter außerhalb von Capdepera, an einer kaum befahrenen Straße, lebt der bekannte Künstler seit 20 Jahren. Eine Eule ist dabei, ein Schmetterling oder auch ein vogelartiges Wesen. Anfang September sollen die sieben Figuren an der Fassade der Schule s´Alzinar (C/. de s´Alzinar) in Capdepera angebracht werden. Es ist längst nicht die einzige Möglichkeit, das Werk des facettenreichen Künstlers, der 20 Jahre in Berlin gelebt hat, in der Öffentlichkeit zu bestaunen. Denn der 77-jährige Gustavo Peñalver Vico drückt der Gemeinde im Nordosten der Insel immer mehr seinen künstlerischen Stempel auf.

Fotogalerie: Werke und Atelier

Seine wohl bekanntesten öffentlichen Werke sind 2014 und 2015 entstanden. An der Hafenmole in Cala Ratjada sind zwei jeweils vier mal sechzehn Meter breite, aus jeweils 1.700 Kacheln bestehende Wandbilder zu sehen. Das eine, in Blau, symbolisiert das Meer, das andere, in Grün, das Land. Grob also das, was die Gemeinde Capdepera ausmacht.

„Groteske Figuren in absurden Situationen" hat ein Journalist mal das beschrieben, was auf Gustavos Bildern und in seinen Skulpturen zu sehen ist. Viele haben das seither abgeschrieben. Weil es zutrifft. Mindestens genauso individuell wie seine bunten Figuren sind auch die Titel, die Gustavo seinen Werken gibt. „Verkleidete Musikergruppe wartet auf das Boot der Freude" heißt das rechte, das grüne Bild. Das ist eher wenig spektakulär und erzählt weitaus weniger über Gustavo und seine Art zu denken und zu arbeiten als das blaue Bild, das aus dem vergangenen Jahr stammt: „Fischerpaar kommt in einem schwarzen Boot aus Antwerpen und wartet auf den Regenbogen in Cala Ratjada". Hier finden sich deutliche Referenzen an Jacques Brel, den belgischen Liedermacher, Gustavos großes Vorbild. Brel hatte sich mal ein schwarzes Boot gekauft, mit dem er zwei Mal den Atlantik überquerte. Die Fischer wiederum sind eine Reminiszenz an Cala Ratjadas ursprüngliche Haupteinnahmequelle.

Ein wenig hat sich Gustavo immer an dem Zwischenraum zwischen den beiden Bildern gestört. Deshalb hat er ein paar ­Figuren gefertigt, die ab Oktober dort angebracht werden sollen, um die Eintönigkeit der grauen Wand aufzubrechen. Auch sie sind schon fertig und liegen auf einer Empore in seinem Atelier. Zu sehen sind unter anderem zwei Katzen, eine Art Vogel und ein Spiegelei mit in Jeans gekleideten Beinen.

Nur ein paar Hundert Meter von der Hafenmole, die sich sowohl aus der Nähe wie von der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens betrachten lässt, steht die Kirche Nostra Senyora del Carme (C/. Isaac Peral, s/n). Mitte August hat Gustavo hier vier Kirchenfenster an der nördlichen Längsseite gestaltet.

Wie auch an der Hafenmole hängt dort eine Plakette mit den Sponsoren. Gustavo hat sie sich immer selbst gesucht. Weder die Gemeinde noch die Kirche hätte das Geld für die Fertigung der Werke gehabt. Eines fällt auf: Fast alle Namen sind deutsch. „Ich finde fast immer nur deutsche Sponsoren", bestätigt Gustavo. „Bei den Mallorquinern ist es sehr schwierig." Generell habe er schlechte Erfahrungen mit der Kaufmoral der Insulaner gemacht. Deshalb sei er auch so lange in Berlin geblieben, wohin er Mitte der 70er-Jahre aus politischen Gründen gezogen war. „Meine Frau wollte schon länger, dass wir nach Mallorca zurückkehren. Ich habe ihr aber erklärt, dass ich das erst tue, wenn ich finanziell nicht mehr von den Mallorquinern abhängig bin." Auch sei sein Bekanntheitsgrad unter Deutschen viel größer als bei den Spaniern.

Für die Kirche hat sich Gustavo auf seine Weise mit Bibel und Religion auseinandergesetzt. Zu sehen sind etwa Adam und Eva sowie eine weihnachtliche Sibyllen-Sängerin. Zudem greift er das biblische Motiv der Fischer auf und bezieht es auf die Geschichte von Cala Ratjada. In dem zweiten Bild von rechts wird Gustavo gar politisch. Er zeigt die Heiligen Drei Könige, die den Krieg und die Konflikte im Nahen Osten satt haben und deshalb nach Cala Ratjada gekommen sind. Der Leuchtturm im Hintergrund verortet das Dorf genau. Auf der südlichen Seite gibt es noch vier weitere Fenster. „Auf die wurde ich erst einmal nicht angesprochen, das stört mich aber nicht weiter", sagt der Künstler und lacht. Die Kirche ist meist abends zwischen 18 und 20.30 Uhr geöffnet.

Doch Gustavo, der für sein großes Output bekannt ist, hat nicht nur Augen für öffentliche und kirchliche Räume. Am 13.9. eröffnet die Ausstellung „Coloreando las sombras" (Die Schatten kolorieren) in der Galerie Maneu (C./ dels Moncades, 3) in Palma. Knapp 40 Bilder und Skulpturen werden darin zu sehen sein. „Es ist meine erste Ausstellung in Palma seit über 30 Jahren", sagt der Künstler. Dort zeigt er unter anderem ein Werk mit über 400 seiner charakteristischen bunten Figuren auf weißem Hintergrund. Und das Bild eines schwulen Teufels mit einem verkrümmten Horn. „Das Bild mit dem Teufel ist schon verkauft, bevor die Ausstellung überhaupt eröffnet ist", sagt Gustavo. „Eigentlich rufen jeden Tag Menschen an oder schreiben E-Mails, die das Atelier besuchen wollen. Meine Frau und meine Tochter haben schon die Standardantwort parat: Touristische Besuche sind nicht möglich." Als Sammler aber bekommt man natürlich einen Termin bei Gustavo.

Und manchmal kann man auch was bei ihm bestellen. Wie etwa die Besitzer des Park Hyatt, etwa zehn Kilometer von Cala Ratjada entfernt. Sie hatten vor Jahren eine lustige Figur gekauft, der Gustavo aufgrund eines fehlenden Ohres den Namen „Der holländische Dichter" gab. Als das Hotel nun eröffnet wurde, baten sie den Künstler um eine größeren Nachbildung für die riesige Anlage. Man findet sie nun am Eingangsrondell, von Blumen umgarnt. Nur die Blume, die die Figur in der Hand hält, ist etwas blass. „Das wird hier nicht richtig gewartet", sagt Gustavo. „Diese Blume sollte glänzen."

Ausstellung: Gustavo, Coloreando las sombras, Maneu Galeria d´Art, C/. dels Moncades, 3, Vernissage am 13.9. um 19 Uhr, bis 31.10.