Er war ein vollkommen von der Musik eingenommener Zeitgenosse, der lange auf Mallorca wirkende koreanische Dirigent und Komponist Eak-tai Ahn. „Mein Vater konnte zwölf Stunden oder länger mit seinen Musikern proben, aber er kam immer glücklich nach Hause zurück", erinnert sich Tochter Leonor im Gespräch mit der MZ. Sie lebt noch immer in Son Matet, dem Familiensitz der Ahns in Cala Major. Das Haus wurde in den vergangenen Monaten von Grund auf renoviert und soll in Zukunft interessierten Musikliebhabern offenstehen. Am Donnerstag (15.12.) wird zu einem Empfang unter anderem der südkoreanische Botschafter aus Madrid erwartet. „Es wird aber kein Museum im klassischen Sinne, ich wohne weiter dort", sagt Leonor Ahn. Man könne aber jederzeit vorbeikommen und klingeln. Vor allem zahlreiche Koreaner täten das ohnehin schon seit Jahrzehnten. „Sie singen dann oft gemeinsam die koreanische Hymne."

Denn Eak-tai Ahn, oder Ekitai, wie er auf Mallorca genannt wurde, wird auch über 50 Jahre nach seinem Tod in seinem Herkunftsland verehrt, weil er Mitte der 30er-Jahre die koreanische Nationalhymne Aegukga komponierte. Das war vor der Trennung des Landes - heute nutzt Südkorea die Hymne unverändert weiter.

Der 1906 in Pjöngjang (heute Nordkorea) geborene und 1965 in Palma gestorbene Eak-tai Ahn hat auch auf Mallorca Spuren hinterlassen. Er gründete das erste private Sinfonieorchester der Insel. Bis 1959 leitete er als Chefdirigent diesen Vorläufer der Balearen-Sinfoniker. Ahn war aus Barcelona übergesetzt, wo er seine Frau Lolita, eine Katalanin, kennengelernt hatte. Es heißt, er habe sich direkt bei seiner Ankunft im November 1946 in die Insel verliebt. „Hier ein Orchester zu haben ist wie ein Platz im Himmel", soll er damals gesagt haben.

Es dauerte kein halbes Jahr, dann hatte Ahn seinen Himmel auf Mallorca geschaffen. Zur Seite standen ihm dabei die beiden Mallorquiner und Klassik-Liebhaber Antonio Parietti, ein Ingenieur, der unter anderem die Straße zum Cap Formentor gebaut hatte, und Josep Balaguer. Sie vermittelten Ahn die Musiker und gaben das Geld. „Damals verdienten die Musiker noch richtig gut, der Vorstand der Sinfoniker bestand aus echten Mäzenen", sagt Leonor Ahn.

Für die Musiker war die Arbeit mit ihrem Vater anregend, aber nicht stressfrei. Ahn war durch seine große Erfahrung - er hatte unter anderem in den USA studiert - extrem anspruchsvoll. „Auf dem Podest war er ein Titan, aber wenn er davon herabstieg, ein Engel", sollen die Musiker über Ahn gesagt haben. Musikkritiker sprechen über den Mallorca-Liebhaber als verkanntes Genie. Der frühere Geschäftsführer der Balearen-Sinfoniker, Pere Estelrich, sagt der MZ, es sei ein „Luxus" gewesen, so jemanden wie Ahn auf der Insel gehabt zu haben.

Der Koreaner liebte schon früh die Musik. Bereits mit vier Jahren spielte er in der Kirche seiner Gemeinde in Pjöngjang das Harmonium und begleitete bald die Messen dazu. Später lernte er Orgel. „Mit 17 Jahren zog er nach Japan, um dort mit einem deutschen Lehrer Cello zu lernen", erzählt Leonor Ahn. Der Lehrer brachte ihm auch Deutsch bei. In den 30er-Jahren ging Ahn zum Studium nach Berlin. „Er war musikalisch sehr deutsch geprägt, seine Werke haben große klangliche Nähe zu denen von Strauss oder Wagner", sagt seine Tochter.

Was kein Wunder ist, denn Richard Strauss war wohl Ahns wichtigster Lehrer. „Strauss hatte in seinem ganzen Leben nur einen Schüler - das war mein Vater", so Leonor. Er habe Ahn überall hin mitgenommen, unter anderem zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, wo Richard Strauss von Adolf Hitler eingeladen wurde, um das Eröffnungskonzert zu dirigieren.

Ahn, der unter anderem auch in Budapest mit Bela Bartok zusammentraf, trat nicht nur als Dirigent, sondern auch als Komponist in Erscheinung. Zwei seiner Werke widmete er Mallorca: das „Poema sinfónico Mallorca" von 1948 und „Lo Pi de Formentor" (1951). Für seine Verdienste um die Insel würdigte ihn 2006 der Künstler Joan Costa, der Ahn eine Statue mit dem Namen „The Shadows of Sound" am Paseo del Borne in Palma widmete.

Die sterblichen Überreste von Eak-tai Ahn liegen heute gemeinsam mit denen seiner erst 2009 gestorbenen Frau Lolita auf dem Nationalfriedhof in Seoul. So sehr er Mallorca liebte, die geistige Verbundenheit mit seinem Heimatland war noch größer. Gerade auch deshalb, weil er jahrzehntelang fern davon lebte.