Dass der Geiger Julian Rachlin im litauischen Vilnius zur Welt gekommen sein soll, scheint ein schlechter Witz zu sein. Am Telefon plaudert der 42-Jährige, der am Donnerstag (26.1.) gemeinsam mit den Balearen-Sinfonikern das Viola-Konzert von Béla Bartók intoniert (20 Uhr, Auditorium Palma, Karten: 22 und 32 Euro), in breitem Wiener Schmäh. Rachlin war als Dreijähriger mit seinen Eltern aus der ehemaligen Sowjetunion nach Wien ausgewandert und nahm dort Geigenunterricht. Mit 14 Jahren stand er als Solist mit den Wiener Philharmonikern auf der Bühne - als jüngster Solist des Ensembles bis dahin. Heute ist Rachlin 250 Tage im Jahr auf Reisen, nach Palma kam er am Montag.

Auf dem Foto kommen Sie rüber wie eine Art Popstar der Klassik. Ist das ein Image, das sie bewusst befördern wollen?

Ich sehe mich nicht als Popstar. Aber ich bin schon auch ein bunter Vogel mit vielen Interessen. Wenn es um die Musik geht, bin ich aber sehr konservativ. Dann gehe ich in meiner vierfachen Rolle voll auf.

Vierfache Rolle?

Ich bin schließlich Geiger, Bratschist, dirigiere und gebe Unterricht an einer Privatuniversität in Wien. Daneben bin ich immer mal wieder auch für Masterkurse unterwegs. Ich lebe zwar vollständig in der klassischen Musik, trete aber zwischendurch auch gerne mit Künstlern auf, die ganz andere Musik machen.

Zum Beispiel?

Mit Udo Jürgens etwa verband mich eine langjährige Freundschaft. Ihn habe ich in den 90-er Jahren bei den Salzburger Festspielen kennengelernt. Er war bei meinem Konzert, danach sind wir uns begegnet.

Zehn Tage vor dem Tod von Udo Jürgens stand Julian Rachlin noch gemeinsam mit dem Entertainer auf der Bühne. Bei der „Helene Fischer-Show“ im ZDF ließ sich Jürgens mit dem Titel „Mein Ziel“ von Rachlin begleiten und sagte hinterher nicht ohne Stolz: „Rachlin spielt sonst nur klassische Musik.“

Auch mit Billy Joel sind Sie befreundet.

Ich habe gemeinsam mit seinem Bruder Alex studiert, einem sehr erfolgreichen klassischen Dirigenten. Da kam auch Billy immer wieder mal vorbei und wir lernten uns kennen und schätzen. Mit ihm spielte ich zuletzt im November im Madison Square Garden in New York.

Sie sind meistens mit der Violine unterwegs, in Palma wird man sie mit der Viola antreffen. Eigentlich wollten Sie aber Cellist werden. Was ist da schiefgelaufen?

Ich habe nun mal mit knapp drei Jahren Geige begonnen. Dann später nochmal umzusteigen, ist sehr schwierig. Zumindest, wenn man das Cello auf einem gewissen Niveau spielen will. Es ist eben doch ein großer Unterschied zur Violine. Die Viola kommt der Geige ziemlich nahe. Cello oder ein anderes Instrument würde ich höchstens im stillen Kämmerlein spielen, mich aber damit nicht auf die Bühne trauen, wo ich ja auch eine gewisse Verantwortung habe. Ich kenne kein Beispiel aus der Geschichte, wo jemand auf demselben Niveau Viola und Cello gespielt hat. Da werden beispielsweise auch komplett andere Muskel­gruppen angesprochen.

Sie vergleichen Musik gerne mit Sport. Der Fußball scheint es Ihnen angetan zu haben.

Ich liebe Fußball. Zwar spiele ich nicht mehr so viel selbst, aber immer, wenn ich in einer Großstadt bin und ein interessantes Fußballspiel ansteht, gehe ich ins Stadion.

Wie man hört, spielt Ihr Lieblingsclub in Spanien.

Der FC Barcelona ist mit Abstand mein Favorit. Aber nicht nur aufgrund der Art, wie der Club Fußball spielt, sondern aufgrund der Philosophie, die eigenen Talente zu fördern und in ihre Akademie zu holen. Dort bekommen die Spieler auch menschlich eine gute Ausbildung, die Masia ist wie eine Lebensschule.

Sie unterrichten junge Musiker in Wien. Ehrensache für Sie?

Ich glaube, wer so viel Glück hatte wie ich und so gute Lehrer, der muss sein Wissen weitergeben. Ich will die Begeisterung für klassische Musik unter den Jugendlichen wecken und versuche zu erreichen, dass sie es auch mal cool finden, zu einem klassischen Konzert zu gehen.

Wollen Sie auch auf der Bühne etwas Lockerheit hineinbringen?

Nein, die Musik ist für mich etwas Heiliges, die möchte ich nicht verfälschen, wenn ich die großen Meister spiele. Auf der Bühne herumzuspringen und auf cool zu tun - für mich ist das nicht der Weg. Aber ich versuche es außerhalb des Konzerts. Da will ich locker sein und an der Verpackung der klassischen Musik arbeiten. Die sozialen Netzwerke bieten da inzwischen eine tolle Möglichkeit.

Sie sind bei Facebook, twittern und posten bei Instagram Fotos.

Ja, und ich habe mir schon eine ganz ordentliche Fangemeinde aufgebaut. Die Leute sollen sehen, was ich mache, wenn ich nicht auf der Bühne stehe. Es ist wichtig, dass junge Leute merken, dass wir auch lockere Typen sein können.

Rachlin hat bei Facebook immerhin 48.000 Follower, bei Twitter sind es gut 3.000, bei Instagram 4.000. Neben Fotos von seinen Auftritten finden sich hier auch Aufnahmen privater Kochabende und Sightseeing-Schnappschüsse.

Kommen diese jungen Follower dann auch ins Konzert?

Langsam, aber sicher macht sich die Arbeit in den Netzwerken bemerkbar. Ich sehe inzwischen jedes Mal mehr junge Menschen bei meinen Auftritten. Ich merke, dass es den Leuten Spaß macht. Deshalb poste ich immer wieder mal auch Fotos, die nichts mit Musik zu tun haben.

Stecken Sie auch Ihre Kollegen damit an?

Meine Generation macht das schon sehr aktiv, aber auch die Älteren kommen langsam auf die Idee. Ich wurde schon von 70-jährigen Musikerkollegen angesprochen und gefragt, ob sie das jetzt auch machen sollen. Immer mehr ältere Musiker merken, dass die sozialen Netzwerke gar nicht so schlecht sind wie manchmal ihr Ruf.

Was werden Sie kurz vor Ihrem Auftritt in Palma posten?

Das weiß ich doch jetzt noch nicht! Da bin ich immer sehr spontan und plane nicht lange, was sehr wohltuend ist. Anders als bei meinen Konzerten, die ich mit zwei oder drei Jahren Vorlauf plane.