Matías Krahn macht sich Sorgen. Um die Gesellschaft, die ihre Werte verliert. Deshalb hat er dagegen angemalt. Zwei Jahre lang. „Es war keine einfache Zeit", sagt er. Herausgekommen sind knapp 130 Bilder. Eine Auswahl wird nun in der Ausstellung „Ofrenda" (Opfergabe) in der Galerie Sa Pleta Freda in Son Servera gezeigt.

Viele der Werke, meist Öl auf Holz, zeigen dünne Linien, in verschiedenen Farben auf weißem oder schwarzem Hintergrund gemalt. Es sind äußerlich minimalistische Werke. Sie fügen sich gut ein in diese außergewöhnliche Galerie, die im Jahr 1976 eröffnet wurde und eine der ältesten auf der Insel ist. Das in zwei alten Dorfhäusern untergebrachteBilder mit Energie

Labyrinth aus Treppen und verwinkelten kleinen Räumen öffnet nur im Sommer. Trotz der weiß gekalkten Wände ist die Atmosphäre warm und einladend. Im Grunde ist es der ideale Ort für einen Künstler, dessen Arbeit davon lebt, dass man sie nicht nur visuell wahrnimmt, sondern auch durch die Energie, die sie ausstrahlt.

Es sind die Energien, die dem Menschen seit Urzeiten innewohnen und die sich in Symbolen ausdrücken. „Viele Symbole sind gekapert worden", sagt Krahn. „Etwa das Kreuz, das von der Kirche für ihre Zwecke gebraucht wird. Die Menschen reden von Blumen, aber die sind vergiftet. Sie reden von Liebe, aber sie meinen Hass und Eifersucht." Er wolle den Symbolen ihre eigene Bedeutung zurückgeben, sagt Krahn und man merkt, dass er darum ringt, dabei nicht anklagend zu klingen.

Es geht um den Akt an sich

„Natürlich können jetzt die Leute kommen und fragen, wer ich denn bin, um diese Aufgabe zu erfüllen. Das ist ihr gutes Recht. Aber mir geht es um den Akt an sich. Ich gehe von dem Gedanken aus, dass man in der Welt schon etwas verändert, wenn man seine Arbeit mit einer gewissen Absicht macht. Ohne etwas als Gegenleistung zu erwarten. Wie etwa, wenn man für jemanden betet." Wenn die Leute ihn nun für einen esoterischen Spinner hielten, sei ihm das egal.

Krahn wurde 1972 in Santiago de Chile geboren. Sein Vater war Fernando Krahn, deutschstämmiger Künstler und Illustrator, der unter anderem für „Die Zeit", den „New Yorker", den „Stern" und „El País" gearbeitet hat. Der introvertierte Gegenpol zum umtriebigen Zeichner war María de la Luz Uribe, Mutter von Matías Krahn, Schriftstellerin und die Sekretärin von Pablo Neruda. Onkel Armando Uribe ist ebenfalls Schriftsteller und hat unter anderem den ­chilenischen Nationalpreis für Literatur gewonnen.

1973, im Jahr des Putsches, zog die Familie ins katalanische Sitges ins Exil. „Unser Haus war immer ein Treffpunkt für Intellektuelle aus aller Welt", sagt Krahn und macht eine kleine Pause. „Gut, zugegeben, es kamen auch viele Hippies mit ihrer Gitarre vorbei." Krahn fühlt sich als Katalane. Barcelona ist seine Stadt. „Die Sagrada Familia hat eine besondere Ausstrahlung, sie verbreitet Menschlichkeit."Alles schmeckt gleich

Auch das Kloster Montserrat in der Nähe der Stadt sei ein wichtiger Ort. „Wie eine Chakra des Planeten." Dennoch leide auch Barcelona daran, dass die Kunst nicht wertgeschätzt wird. „Wir werden von Bildern überflutet und haben doch keine Ahnung von Kunst, von ihrer Geschichte. Es wird geklaut, kopiert, aufgesaugt. Es entsteht viel Müll. Schöner Müll, aber Müll. Wie ein Essen, dass wunderschön aussieht, aber schal schmeckt. Alles schmeckt heutzutage gleich." Benutzt er denn keine sozialen Netzwerke? „Doch, das ist ja das Schlimme. Ich bin süchtig nach dem Scheiß."

Zur titelgebenden Opfergabe der Ausstellung gehörte auch ein langer Prozess der Selbstreinigung. „Es ging mir darum, mich von allem zu befreien, was mir mit auf den Weg gegeben worden ist. Die hellen und die dunklen Seiten von Vater und Mutter. Die Masken, die ich mir ­aufsetze. Die Erwartungen, die ich erfüllen muss. Die Aggressivität des Männlichen. All das muss weg, wenn man sich selbst finden möchte." In seinen Bildern trifft Planung auf Zufall, Ordnung auf Chaos.Eine der besten Ausstellungen der vergangenen Jahre

Vor vier Jahren hat er schon Mal in Sa Pleta Freda ausgestellt. „Das war eine der besten Ausstellungen der vergangenen Jahrzehnte", sagt einer, der die Arbeit der Galerie schon länger verfolgt. Auch damals, die Schau hieß „Estrellas fugaces" (Sternschnuppen), ging es um Symbole. „Die letzte Ausstellung war fröhlicher. Ich habe sie aus einem anderen Kontext heraus gemalt", sagt Matías Krahn. „Hier musste ich mit düsteren Seiten kämpfen."

Wenn Krahn seine Arbeit beschreibt, klingt das teilweise obsessiv. Immer wieder habe er die Farbpunkte auf den Gemälden austauschen müssen, bis er die richtige Kombination gefunden habe. Wenn man nah an die Bilder rangeht, sieht man, dass die Punkte durch die vielen Farbschichten wie ein Relief wirken.

Alle Werke sind betitelt. Nur sichtbar sind diese nicht. Sie stehen auf der Rückseite der Bilder, und natürlich im Katalog. Ein wenig ist es mit ihnen wie mit der Reinigung, die Krahn mit ihnen erreichen will. Sie sind da, aber sie sind nicht offensichtlich. Der Künstler glaubt aber an ihre Wirkung.

Matías Krahn, Ofrenda, Sa Pleta Freda, C/. Sa Pleta Freda s/n, Son Servera, bis 9.9., Di.?Sa. 19.30?21 Uhr