Mittlerweile hängt hier schon an dem einen oder anderen kleinen Balkon eines Altstadthauses das Schild einer bekannten deutschen Immobilienfirma. Wie kaum ein Viertel steht Canamunt, am östlichen Rand der Altstadt, für Gentrifizierung und Wandel. Wie kaum ein Viertel ist es aber auch immer noch ein Anziehungspunkt für Street-Art-Künstler. An fast jeder Wand, die noch nicht von einem Investor generalüberholt wurde, sind Graffitis und andere Kunstwerke zu finden.

Der wohl bekannteste Vertreter der Straßenkunst ist Soma. Der 40-Jährige hat Mitte der Nuller-Jahre angefangen, im Viertel zu malen. Er war für einen Lehrerjob auf die Insel gekommen. „Damals habe ich mich nur nachts getraut zu arbeiten, aus Angst vor der Polizei", sagt der Künstler, der mit bürgerlichem Namen Marc Peris heißt. Sein breiter Akzent verrät sofort seine valencianische Herkunft. „Die Street-Art war meine Methode, mich in das Viertel einzubringen, in das ich gekommen war." Zu jener Zeit war das Viertel noch heruntergekommen. Wenn Soma malte, kamen die Besoffenen und die Nutten, um sich mit ihm zu unterhalten. „So habe ich die Menschen hier kennengelernt. Ich wurde angesprochen, was ich da mache, ob es überhaupt erlaubt ist. Oder was ich da male. Ab und zu sind die Menschen stehen geblieben, bis ich fertig war."

Das ist nun vorbei. Soma zieht aus familiären Gründen nach 13 Jahren zurück nach Valencia. „Meiner Frau und mir war immer klar, dass wir nicht für immer hier leben wollten", sagt er. Über hundert Kunstwerke sind in dieser Zeit entstanden, schätzt Soma. So genau hat er nicht gezählt. „Viele sind wieder verschwunden", sagt der freundliche, beinahe schüchterne Mann mit dem dichten Bart und der Glatze, die er meist unter einer Kappe verbirgt.

Seine Arbeiten pendeln zwischen politischen Motiven und Spielereien. An der Plaça des Mercadal kann man das gut beobachten. Auf zwei geschlossenen Ladenrollläden sind Porträts von Merkel und Trump zu sehen. Die Bilder sind erst vor Kurzem entstanden. Direkt daneben steht schon etwas länger: „Les places són nostres" (Die Plätze gehören uns). An einem anderen Haus wiederum sind Frösche mit langen Zungen zu sehen.

Natürlich hat Soma mittlerweile auch viele Auftragsarbeiten gemacht, in Privathäusern oder in Restaurants. Kürzlich malte er in einer Schule in Palmas Immigrantenviertel Son Gotleu einen rosafarbenen Wal. Ein Zeichen gegen das angeblich bei Kindern und Teenagern grassierende Selbstmordspiel „Ballena azul" (Blauer Wal). Neben Joan Aguiló ist Soma vielleicht der bekannteste Street-Art-Künstler der Insel. Vielleicht könnte er von solchen Arbeiten leben. Aber ihn zieht es immer noch auf die Straße. „Das Problem ist, dass die Regierenden die Kunst immer unter Kontrolle haben wollen. Deshalb stellen sie etwa Wände zur Verfügung, wo man malen kann. Aber dadurch wird nur die Anzahl an Orten reduziert, an denen man arbeiten kann." Auch wenn das Viertel jetzt im Wandel sei, glaubt Soma nicht, dass die Street-Art verschwinden wird. „Ich habe nie eine Strafe bekommen."

Hat seine Kunst dazu beigetragen, dass das Viertel nun attraktiv wird? Ohne ihm gleich die Schuld für die Gentrifizierung zu geben, selbstverständlich. „Es kann sein, dass es eine Rolle gespielt hat, die Straßen werden durch Street-Art kosmopolitischer und moderner. Aber solche Prozesse sind sehr vielschichtig und hängen viel von politischen Entscheidungen ab."

Dass man seine Arbeiten unter Denkmalschutz stellt, will er nicht. „In England werden ja an jeder Ecke, wo Bansky gemalt hat, die Werke mit Kunststoff geschützt. Das ist absurd. Eine Stadt ist kein Museum. Und selbst wenn sie es wäre: Auch ein Museum hängt mal andere Bilder hin." Dass es Nachwuchs in der Szene gibt, dafür hat Soma selbst gesorgt. Er war bis vor Kurzem Kunstlehrer an einer Schule im Viertel Nou Llevant. „Wir haben mit den Schülern viele Wände im Gebäude gemalt, ich habe ihnen meine Arbeiten gezeigt. Es ist schön zu merken, wenn Menschen sich für das begeistern, was du machst."

In Valencia wolle er weiterhin an seiner Kunst arbeiten. „Auf dem Festland hat man mehr Möglichkeiten. Auf Mallorca kommt man ja nur schwer raus. Das balearische Kulturinstitut unterstützt viele Kunstrichtungen, aber nicht die Street-Art." Wäre das wirklich wünschenswert, staatliche Subventionen für Straßenkunst? Soma schmunzelt. „Vielleicht hätten wir einfach mal danach fragen sollen."

Zudem sei er nicht für immer weg. „Ich habe hier noch einige Aufträge, die ich fertigstellen muss. Außerdem werden wir hier Urlaub machen." Seine beiden Kinder seien hier geboren. Zudem hat ihn der Nachbarschaftsverein Canamunt zum Ehrenbürger er­koren. Das verpflichtet. „Ich werde immer wieder hier sein und auch weiterhin malen", sagt Soma. Er hat diese Stadt in den vergan­genen Jahren mitgeprägt.