Tagsüber fällt es kaum auf. Die meisten Passanten laufen einfach daran vorbei. Also leuchtet es vor sich hin. Ein gleichseitiges Dreieck. Neonlicht mit rosa Färbung. Es hängt in dem Schaufenster des Casal Solleric in der Einkaufsstraße Passeig del Born in Palma de Mallorca. Box 27 heißt dieser Ausstellungsraum. Ein Ort, an dem Künstler ab und zu kleine, clevere Stücke präsentieren können. Bei anderen Gelegenheiten werden hier die Ausstellungen beworben, die sich im Haus befinden.

„Rosa Winkel" hat der spanische Künstler Andrés Senra sein minimalistisches Werk genannt. Es braucht, wie eingangs beschrieben, einen gewissen Grad an Dunkelheit, um es wahrzunehmen. Düster ist auch der Ursprung, der sich hinter dem Konzept verbirgt.

Das rosa Dreieck geht zurück in die Zeit, als die Nationalsozialisten Deutschland beherrschten und in ihren Konzentrationslagern Millionen Menschen ermordeten. Homosexuelle Gefangene mussten ein rosa Dreieck als Aufnäher auf ihrer Kleidung tragen. Der deutschsprachige Titel der Ausstellung ist kein Zufall. „In den 60er-Jahren wurde das rosa Dreieck von den LGBTIQ-Kollektiven wieder aufgegriffen", erklärt der Künstler Senra bei der Präsentation (LGBTIQ steht als Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, Queer, Anm. der Red.). „Von einem Zeichen der ­Unterdrückung wurde es zu einem Symbol des Kampfes für die Homosexuellen."

Der Kurator der Ausstellung, der mallorquinische Künstler Tolo Cañellas, ist aber neugierig, wie das Kunstwerk von den Passanten selbst interpretiert wird. Schließlich stehe das Dreieck für viele Interpretationen offen: Das Auge der Vorsehung, das Auge des Ra, die Macht, die Dreifaltigkeit, die Göttlichkeit. „Und in den 80er-Jahren benutzte es die Aktivistengruppe Act Up in New York, um an die Opfer der immer mehr grassierenden Aids-Epidemie zu erinnern", so der Kurator.

„Das Dreieck ist eine Licht gewordene Idee, ein geometrisches Bild. Es ist zu Geometrie gewordener Schmerz, Angst und Wut", schreibt er in seinem Ausstellungstext, der in drei Sprachen erhältlich ist, und der, geht man ins Solleric, gleich links ausliegt.

Das Projekt mit Senra ist das erste unter der Ägide des neuen Leiters des städtischen Ausstellungshauses, Sebastià Mascaro, der zuvor für die Bildungsmaßnahmen im Museum Es Baluard verantwortlich war. Er hatte im Juli das Amt als Solleric-Leiter angetreten und war vom Kulturdezernat des Rathauses direkt benannt worden, nachdem mehrere öffentliche Ausschreibungen gescheitert waren.

In den kommenden Wochen, bis zur Kunstnacht Nit de l'art am 23.9., folgen weitere Ausstellungen: Carme García zeigt Fotografien zum Thema Geschlechteridentität unter dem Titel „I want to be", der Dokumentarfilmer Pepe Miralles zeigt seine Arbeiten zu 20 Jahren Kampf gegen Aids, der Madrider Künstler Fernando Sánchez Castillo setzt sich mit dem Erbe des Franco-Regimes auseinander. Zudem soll eine noch nicht näher präzisierte fünfte Ausstellung im Aljub des Hauses eröffnet werden.