Das Streben nach authentischen weiblichen Perspektiven im Tea­tre Principal geht weiter: Nachdem im Dezember Pepa Gamboas Gitanas-Stück „Fuenteovejuna" mit Laiendarstellerinnen erfolgreich auf der großen Bühne gezeigt wurde, präsentiert das gleiche Haus am Freitag (26.1.) und Samstag die Eigenproduktion „Las muchísimas" der mallorquinischen Choreografin Mariantònia Oliver. Am Sonntag (28.1.) wird das Stück in Alcúdia gezeigt.

Auf der Bühne stehen 17 Darstellerinnen. „Las muchísimas" ist die Fortsetzung einer Inszenierung von 2012. Damals hatte Oliver unter dem Titel „Las muchas" die Erfahrungen von Frauen verarbeitet, die in den 50er-Jahren während der Franco-Diktatur jung gewesen waren. „Im Mittelpunkt standen die Entbehrungen, die das Leben der Frauen damals ausmachten." Oliver sammelte diese Erfahrungen und drückte sie allein durch Tanz auf der Bühne aus.Es geht um Ehrlichkeit

„Das neue Stück ist eine Umkehr dieses Prinzips." Die Frauen sind 61 bis 75 Jahre alt. „Es geht anders als in ´Las muchas´ nicht darum, Forderungen hinsichtlich der Rolle der Frau zu stellen. Sondern das Jetzt auszuleben. Es geht um Ehrlichkeit. Um die Anerkennung der Situation, in der man sich befindet. Häufig verschwindet man aus der öffentlichen Wahrnehmung, wenn man nicht mehr arbeitet oder nicht mehr als sexuelles Wesen gesehen wird." Zu Beginn der gemeinsamen Arbeit im Herbst 2016 stellten sich die Teilnehmerinnen drei Fragen: Was hast du dich schon mal getraut? Was schätzt du in deinem Leben? Was ist für dich Glück?

Diese Ehrlichkeit werde auf die Bühne übertragen. „Wir zeigen die Körper so, wie sie sind. Man ist häufig daran gewöhnt, nur junge Körper zu sehen. Das wollen wir in diesem Stück anders machen." Die Choreografin will das durchaus als politische Botschaft verstanden wissen. „Sobald man sich selbst offenbart, sich zur Schau stellt, betreibt man Aktivismus." Dabei gehe es aber nicht darum,

irgendjemanden etwas zu beweisen.Eine Veteranin der Bühnenkunst

Mariantònia Oliver ist eine Veteranin der hiesigen Bühnenkunst. Als Tochter mallorquinischer Auswanderer in Brasilien geboren, wuchs sie in Maria de la Salut im Insel­inneren auf. Ihr Tanz-Ensemble gründete sie 1989 in Barcelona, 2000 zog sie zurück in die mallorquinische Heimat. In diesen fast 30 Jahren ist sie mehrmals durch Spanien, Europa und Amerika getourt.

Die Arbeit mit Laiendarstellerinnen sei auf mehreren Ebenen eine Herausforderung gewesen. Wobei Oliver es sich auch nicht leicht gemacht hat. „An dem Stück sind Frauen aus Mallorca, Katalonien und aus Slowenien beteiligt." Nur zwei der Darstellerinnen hatten schon bei „Las muchas" mitgemacht. Gefunden habe sie die anderen in mehreren von ihr organisierten Gesprächsrunden. „Wir haben dabei außergewöhnliche Erfahrungen gemacht und viele Erkenntnisse gewonnen."Auf die eigene Körperlichkeit einlassen

Vorangegangen war eine lange experimentelle Phase. „Ich hatte in den Jahren zuvor viel mit Menschen aus verschiedenen Kontexten zu tun. So habe ich auch gelernt, mich unterschiedlichen Körperlichkeiten zu nähern." Gerade im Fall von älteren Menschen habe man immer das Bild von Beschränkungen im Kopf. „Aber diese fallen weg, sobald man sich wirklich auf die eigene Körperlichkeit einlässt", sagt Oliver.

Als Choreografin habe sie die Darstellerinnen aufgefordert, ihr zu vertrauen. „In einem künstlerischen Schaffensprozess gibt es immer Phasen, in denen man etwas nicht versteht. Ich habe ihnen erklärt, dass sie an diesen Punkt kommen werden, wenn sie sich von mir leiten lassen. Manches lässt sich einfach nicht mit dem Kopf begreifen."

Die Produktion durch das Teatre Principal habe für ein Tanzstück außergewöhnlich luxuriöse Bedingungen ermöglicht. Die Proben fanden erst in kleinen Gruppen statt, später in gemeinsamen Workshops in den drei Herkunftsregionen. Erst in Slowenien, dann zwei Wochen in Katalonien. Die letzte Phase der Proben stand dann bis zur Premiere auf Mallorca an.Begleitet von elektronischen Klängen

Begleitet wird der Tanz von einer Klanglandschaft. Die besteht zum einen aus Texten der Frauen, die auf Katalanisch und Englisch aus dem Off gelesen werden und die sich aus den Gesprächsrunden ergeben haben. Zum anderen dominieren elektronische Klänge von der mallorquinischen Musikerin Joana Gomila, die für ihr Projekt „Folk Souvenir" gerade einen der wichtigsten mallorquinischen Kulturpreise, den Premi Ciutat de Palma, erhalten hat (S. 24). „Ich habe das Projekt von Anfang an begleitet", sagt Joana Gomila. „Die Musik hat sich genauso in Zusammenarbeit mit den Frauen entwickelt wie die Choreografie." Die teilweise vom Gesang Gomilas begleiteten Klänge kommen im Theater ebenfalls aus dem Off.

Es wird wohl nicht das letzte Projekt mit Laiendarstellern von Mariantònia Oliver sein. „Ich glaube, wir werden damit weitermachen. Alle künstlerischen Projekte, die etwas bewegen, ziehen weite Kreise. Irgendwann braucht man die Themen nicht mehr zu suchen, sie kommen von allein."

Las muchísimas, Teatre Principal, 26./27.1., jeweils 20 Uhr, Karten 8 bis 20 Euro unter www.teatreprincipal.com / Auditori d´Alcúdia, 28.1., 18 Uhr, 12 Euro unter www.auditorialcudia.net