Liebevoll pinselt Jaume Salvadiego den Oktopus mit Tinte ein. Die Krake liegt tot auf dem Tisch in seinem Atelier im neunten Stock eines Hochhauses an den Avenidas in Palma. Die Tentakel hat der Künstler sorgfältig positioniert. Als sie komplett mit gleichmäßig verteilter Tinte bedeckt sind, legt Salvadiego ein Blatt Reispapier darüber und nimmt den Abdruck des Meerestieres.

Die Methode heißt Gyotaku. Sie stammt aus Japan. Anfang des 19. Jahrhunderts pries man dort mit diesen exakten Abbildern auf den Fischmärkten des Landes die Größe und Art der feilgebotenen Ware an. Salvadiego hat diese Technik vor wenigen Jahren in einer Ausstellung in Barcelona gesehen. Gyotaku: Das Wort setzt sich aus gyo für Fisch und taku für abreiben zusammen.

Vor zwei Jahren stellte Salvadiego seine Arbeiten erstmals in einer Bar in Palma aus. Mittlerweile hat er sie in einigen Galerien der Insel gezeigt. Der katalanische Künstler, der vor mehr als 30 Jahren auf die Insel kam, will sein Wissen nun in Workshops weitergeben, die im Kulturzentrum Casa Planas stattfinden.

Das Wichtigste sei, dass die verwendeten Fische eine gewisse Textur haben, die sich auf dem Blatt abbilden lässt. „Mit Sardinen wird man keine besonders beeindruckenden Bilder schaffen", sagt Salvadiego. Am liebsten seien ihm Oktopusse. „Sie sind faszinierende Tiere, sowohl im Wasser als auch zum Malen." Gerade der Achtfüßler biete mit seinen Tentakeln viele Möglichkeiten bei der Gestaltung der Gyotakus.

Vier bis fünf Abzüge könne man mit einem Fisch machen. „Dann tritt irgendwann zu viel Flüssigkeit aus, es wird matschig und es fängt ziemlich an zu stinken", erzählt der Künstler, der unter anderem auch für seine Aquarelle bekannt ist, in denen er sich mit der Verbindung von Boxen und Jazz auseinandersetzt. Ob man den Fisch nach dem Malprozess auch noch essen kann, hänge zum einen von der Zeit ab, die er ungekühlt auf dem Tisch liegt, zum anderen von der Tinte, die man verwende. Für seine Gyotakus benutzt Salvadiego üblicherweise indische Tinte, die chemische Elemente enthält und somit den Fisch unbrauchbar macht. „Ich habe auch schon Sepia-Tinte verwendet, das hat gut geklappt, aber es steigert natürlich den Preis enorm."

Die Japaner im 19. Jahrhundert mussten sich diese Frage nicht stellen. Sie benutzten eine Tinte aus Holzkohle namens sumi-e, die einfach abgewaschen werden konnte. Zudem versahen die Fischer die bedruckten Blätter mit kleinen Gedichten, in denen sie sich beim Meer für die Nahrung bedankten.

Damals wie heute gibt es einen Teil des Fisches, den man nicht abdrucken kann. „Das Auge muss man immer nachmalen", sagt Jaume Salvadiego.

Gyotaku ist längst nicht mehr auf Fische begrenzt. Der Künstler zückt sein Handy und zeigt ein Bild, das ihm der Schauspieler Diego Ingold aus Berlin geschickt hat. In einem Restaurant hatte er ein etwas größeres Gyotaku gefunden: Es zeigt ein Wildschwein.

Jaume Salvadiego, Gyotaku-Workshop, Anmeldung unter centreculturalcasaplanas@gmail.com