Mit dem wahren Hintergrund bei einem fiktiven Film ist es so eine Sache. Manchmal sorgt der Hinweis für einen besonderen Nervenkitzel beim Zuschauer, für die Extraportion morbo, wie man im Spanischen sagen würde. In anderen Fällen fragt man sich, ob der Filmemacher Angst hat, sein Werk halte ohne diesen Hinweis nicht stand. Wie auch immer, der mallorquinische Regisseur Marcos Cabotá behauptet felsen­fest, sein neuer Film „­Noctem", ein Horrorstreifen, beruhe nicht nur in seiner Genese auf wahren Begebenheiten. Große Teile seien gar „dokumentarisch".

Aber von vorn: „Noctem" erzählt die Geschichte von Adrián Lastra und seinem Kumpel Esteban Piñero. Lastra ist ein bekannter spanischer Schauspieler, Piñero war mal Sänger der Boygroup D'Nash, die Spanien 2007 beim Eurovision Song Contest vertrat. Die beiden spielen sich selbst. Der Film beginnt mit Ausschnitten von Nachrichtensendungen. Es sei schon mehrere Monate her, dass die beiden in Mexiko verschwunden sind.

Rekonstruktion per Handyvideos

Dann sieht man einen vom mallorquinischen Schauspieler Diego Ingold interpretierten Hacker, der die Daten von zwei völlig zerstörten Handys abruft. Es sind die Telefone der beiden Verschwundenen. Mit den Videoaufnahmen der beiden Handys wird fortan die Geschichte erzählt.

Man sieht die beiden Männer, die ein unterhaltsames und sorgenfreies Leben in Madrid führen, häufiger ist auch ihr Freund Alex dabei. Bis eben eines Tages die seltsamen Vorgänge im Hause Lastras beginnen. Es sind Geräusche, das unangenehme Gefühl einer Präsenz, die sich nicht erklären lässt. Und dann ist da diese mysteriöse Kiste, die irgendwann gegen einen Zehner beim Antiquitätenhändler abgegeben wird.Reise nach Mexiko

Die Jungs begeben sich auf Nachforschung, was es mit diesen sonderbaren Vorkommnissen auf sich haben könnte. Sie befragen eine Kartenlegerin, die völlig verschreckt plötzlich abhaut. Und einen Professor, der ihnen von einem Anti-Buch zur Bibel namens „Noctem" berichtet. Darin gibt es die Figur des ­Araquiel, der auf der Suche nach den Seelen junger Männer ist.

Irgendwann haben die beiden Männer den Terror statt und beschließen, eine ohnehin seit Längerem ausstehende Reise nach Mexiko anzutreten. Dort ist erst einmal alles soweit entspannt. Auf einer Party lernen sie vier attraktive junge Damen kennen, die sie für ein paar Tage auf die Insel Cozumel einladen. Dort wohnen sie in einem wunderschönen Haus. Es gibt Strände. Es lässt sich aushalten. Aber natürlich beginnen da die Probleme wieder. Araquiel ist zurück, und diesmal meint er es offensichtlich ernst.Gangs für Mallorquiner

Marcos Cabotá geht auf Nummer sicher. Viele Elemente, die er in „Noctem" einbaut, sind aus anderen Filmen des Genres bekannt. Etwa die verwackelten Handaufnahmen. Dass beim digitalen Entpacken der Dateien der Fehlerhinweis auf dem Bildschirm erscheint, dass die Videos beschädigt sind, erlaubt immer wieder Risse in Bild und Ton einzubauen. Oder, ganz plump: das abgelegene Haus, in dem man auf Spaß hofft.

NOCTEM TRAILER from Marcos Cabotá on Vimeo.

Zudem baut der Regisseur ein paar Gags für Mallorquiner ein. Der Professor, der den beiden Abenteurern von „Noctem" erzählt, wird vom ehemaligen Nóos-Richter und heutigem Podemos-Abgeordneten Juan Pedro Yllanes dargestellt. Und das angeblich in Mexiko stehende Haus, in dem es zum Showdown kommt, könnte nicht mallorquinischer sein, wenn man es mit ­Sobrassada beschmieren und hier Ball de Bot tanzen lassen würde. Cabotá lacht, als er davon bei einer Pressepräsentation erzählt. „In Madrid wird keiner merken, dass das Haus nicht in Mexiko steht." Eigentlich überraschend. An einer Wand im Haus hängt sogar eine Mallorca-Karte.Konsequenzen gezogen

Und der reale Hintergrund? Cabotá erzählt, die Idee zu dem Film sei ihm gekommen, weil der Schauspieler Adrian Lastra ihm von den merkwürdigen Vorgängen in seinem eigenen Haus erzählt habe. Er habe ihm sogar ein Video gezeigt, das er darin aufgenommen hatte. „Ich glaube nicht an Gespenster, aber irgend etwas Komisches war da", erzählt Cabotá. Daraufhin habe er ein Drehbuch verfasst und es den beiden Hauptdarstellern vorgelegt. „Ich wollte, dass wir ausgehend von Adrians Erfahrungen an der Geschichte arbeiten." Es sollte möglichst real wirken. „Viele der Dialoge im Film sind improvisiert. Ich habe als Regisseur eher psychologische Arbeit betrieben, als jetzt genaue Handlungsanweisungen zu geben", so Cabotá.

Und den Schauspielern sei die Geschichte auch wegen des realen Hintergrundes durchaus nahe gegangen. „Bei der einen Szene haben Adrian und Esteban sich sogar übergeben, weil es sie so mitgenommen hat, was wir gedreht haben", so der Regisseur. Und nicht nur das: Als der Dreh beendet war, habe Lastra die Konsequenzen gezogen und sei aus dem verwunschenen Haus in ­Madrid ausgezogen. Das mag Legenden­bildung sein. Aber warum eine gute Geschichte mit der Suche nach einer vermeintlichen Wahrheit kaputt machen?