Es gibt glücklicherweise noch immer Menschen, die die Dinge aus Liebe zur Kunst angehen. Literatur­übersetzer tun dies besonders oft, denn bezahlt wird ihre Arbeit meist schlecht. Eine große Ungerechtigkeit, wenn man bedenkt, welche Schätze sie für die Leser bergen. Nicole d'Amonville Alegría gehört zu diesen Leuten.

Gerade hat sie uns durch die Übersetzung des Gedichts „Laura and Francisca" aus dem Englischen ins Spanische eine längst vergangene Zeit zurückgebracht: das Deià der 30er-Jahre. Verfasst hat das sehr lange Gedicht Laura Riding (1901-1991), die mit Robert Graves zu jener Zeit in Deià lebte.

Finanziell gelohnt habe sich die Arbeit nicht, sagt Nicole d'Amonville ganz offen. Die Übersetzung, die Herausgabe und das Lektorat haben ihr ganze 400 Euro eingebracht. „Das ist miserabel, aber ich tue es trotzdem, solche Bücher erleuchten mich einfach." Der Erkenntniswert des Gedichts ist nicht nur für die Übersetzerin garantiert. Beim Lesen der Zeilen lernt man ein altes Mallorca kennen, das Leben im Dorf, die Menschen.

Riding war eine US-amerikanische Dichterin, Kritikerin, Essayistin und Schriftstellerin, die in New York als Tochter österreichischer Emigranten geboren wurde. An der Seite von Robert ­Graves zog sie 1928, im Alter von 27 Jahren, nach Deià. Das Paar blieb dort bis zum Ausbruch des spanischen Bürgerkiegs 1936 und erlebte eine sehr produktive Zeit. Riding schrieb selbst und war zugleich Graves' Beraterin, seine erste Leserin. „Sie war ungewöhnlich intelligent, besaß einen scharfen, kritischen Verstand", sagt d'Amonville.

Trotz ihrer großen Fähigkeiten wurde Riding immer als zweitklassig gehandelt und ist im spanischen Sprachraum kaum bekannt. Das mag auch daran liegen, dass sie zwar viel, aber nicht konstant publizierte, dass sie viele Genres bediente und sich jahrzehntelang aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen hatte, um mit ihrem zweiten Mann in Florida Zitrusfrüchte zu züchten.

Auf Ridings Biografie möchte d'Amonville nicht groß eingehen, obwohl sie sie recherchiert hat. „Diese Anekdoten aus dem Leben der Autoren verkommen oft zu Klatsch", sagt sie. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie hat eine lange Karriere im Verlagswesen hinter sich, bei Verlagen wie Herder oder Kairós zum Beispiel. Zudem hat sie 40 Bücher ins Spanische übersetzt, darunter Rimbaud, Mallarmé, Shakespeare und Emily Dickinson. „Riding ist eine exzellente Lyrikerin, mindestens so gut wie Dickinson", sagt sie. „Deswegen wollte ich sie auch übersetzen. Sie hat es verdient, bekannter zu werden."

Geholfen haben ihr bei der Arbeit ihre Liebe zur Literatur, ihr Gespür für Sprache und ihre Biografie. Das Leben der 50-Jährigen war unruhig. Sie ist in El Salvador geboren, dem Heimatland ihrer verstorbenen Mutter. Der Vater war Franzose. Aufgewachsen ist sie unter anderem in Guatemala und Deià (1970-1979), wo sie Robert Graves kannte und mit dessen Kindern auf der Straße spielte. Gelebt hat sie später auch in Paris, London, Barcelona. Seit 2010 ist sie nun wieder auf der Insel, zunächst in Llucalcari, jetzt in Palma.

Hier ist sie auf das Gedicht von Laura Riding gestoßen, denn die Heldin Francisca, im Gedicht ein kleines, mallorquinisches Mädchen, das Riding als Alter Ego einsetzt, lief ihr über den Weg: eine ­alte Frau mit stark gekrümmtem Rücken, die noch klare Erinnerungen an Laura Riding hatte. „Vielleicht hätte das Gedicht auch jemand anders übersetzen können", sagt sie, „aber ich fühlte mich prädestiniert dazu."

Sie erzählt das am Esstisch in ihrer kleinen, charmanten Altbauwohnung in Palma, gestikuliert lebendig und spricht schnell. Die Wohnung ist ein Rückzugsort, das spürt man. Sie ist mit viel Geschmack und Liebe zum Detail eingerichtet. Über eine Treppe gelangt man eine Etage höher auf die Dachterrasse, und dort ist noch einmal ein Aufbau, in dem sie ihr Arbeitszimmer eingerichtet hat. Es ist voller Bücher, Gedichte von d'Amonville, Übersetzungen. Eine Ofenrohr führt von der Wohnung unten herauf, das kleine Fenster gibt den Blick frei auf die Altstadtdächer und das Meer in der Bucht.

Deià hat sie als wichtigen Teil ihrer Kindheit in guter Erinnerung. „Ein Paradies", sagt sie, „das heute nur noch von seinem guten Ruf lebt." Mittlerweile kriegt sie in Deià einen Koller. „Ich fühle mich dort eingeengt. Denken kann ich in so einer Enge nicht."

Demnächst wird sie aber wieder hinfahren, in das Bergdorf ihrer Kindheit und dort ihr Buch vorstellen. Sie freut sich auf die Veranstaltung, denn dann wird über Literatur gesprochen, die von Laura Riding und die von ihr, der Autorin der Übersetzung. Zwei Jahre habe sie daran gesessen, immer wieder habe sie sich die Verse vorgenommen. „Lyrik braucht Zeit, man muss sie ruhen lassen", sagt sie, eine Frau mit viel Liebe zur Kunst.

Nicole d'Amonville Alegría stellt das Buch „Laura y Francisca" am 19. Juli um 19 Uhr in der Biblioteca Joan Graves in Deià vor. (Via Arxiduc Lluís Salvador, s/n). Es ist im Verlag Punto de Vista erschienen (Englisch/Spanisch) und kostet 18,90 Euro. puntodevistaeditores.com