Ein martialisch anmutender Wolf steht auf einer schneebedeckten Klippe, hinter ihm ragen zwei verschneite Tannenwipfel in den blassblauen Himmel. Es könnte eine Szene aus einem Kinderbuch sein: Der böse Wolf fixiert mit kaltem Blick seine Beute. Wäre da nicht die geometrische Explosion über dem Kopf des Tiers; ein runder Kreis auf grünem Dreieck, aus dem schmale Trapeze hinausschießen, wie aus einer Sonne. Und ein schwarzes Quadrat markiert Ursprung und Ende der Explosion.

Das ist die Welt des russischen Künstlers Pavel Pepperstein, eine von verschiedenen, die bis zum 15. September in der Galerie Kewenig in Palma zu sehen sind. Die Serie der zwölf Aquarelle heißt „Animals and Supremas". Der Titel sagt, worum es geht: Naive, fast infantile Tier­illustrationen treffen auf vom russischen Konstruktivismus und Suprematismus inspirierte Formen. Eine futuristische Aura umspielt das Ganze, denn eine kunstvoll geschwungene Schrift erklärt Ort und Jahr. Alles surreale Zukunftsmusik. So gibt es ein Gürteltier, das durchs Weltall anno 2068 schwebt, oder ein Zebra im „Center of African Buddhism, Congo, 2099". Durch die Kombination von Tier, Beschreibung und einem so hochtheoretischen Werk wie „Das Schwarze Quadrat" von Kasimir Malewitsch (das als begründendes Werk des Suprematismus gilt) entsteht dabei ein leicht zugänglicher, aber dennoch nicht banaler Humor.

Die Einflüsse von Suprematismus und Illustration liegen in Peppersteins (übrigens sein Künstlername) Kindheit begründet. Sein Vater war Maler und bewegte sich in der Szene der Moskauer Konzeptualisten. Pepperstein wuchs umgeben von Künstlern auf, „sah, verarbeitete, ernährte sich von dem, was sie taten", erklärt Mariona Sabater, Mitarbeiterin der Galerie. Was sie taten, war, mit Kinderbuchillustration Geld zu verdienen. Peppersteins „Animals and Supremas" aber sprechen für sich.

Auf der gegenüberliegenden Wand des Oratoriums Sant Feliu - der große Ausstellungsraum der Galerie - befinden sich Zeichnungen, die tatsächlich für die visuelle Begleitung von Peppersteins eigenen Texten gemacht waren. Sie strahlen eine gänzlich andere Energie aus: Nur mit schwarzer Farbe gezeichnet, finden sich hier auch menschliche Figuren. Düstere Fratzen, die mit ihren Kanten stellenweise an propagandistische Sowjet-Ästhetik erinnern. Andere Bilder sind komplett im Comic-Stil gehalten. Die surrealistischen Elemente werden hier für politische Kommentare eingesetzt. Ein Buzzer im Auge des Big Brothers oder ein Karl-Marx-Wolkenbild -es lässt sich vieles entdecken.

Eine Haustür weiter wartet der Gegenentwurf zu den figurativen und mehrdeutigen Aquarellen Peppersteins. Der Mallorquiner Ignacio Gelabert zeigt dort parallel seine erste Ausstellung in der Galerie Kewenig, „Still Land". Er möchte mit seinen abstrakten Bildern in Aquarell und chinesischer Tinte die vollständige Ruhe abbilden. Das Nichts vor dem Sein, embryonale Stille in blassen Beige- und Brauntönen. Dass ihn dabei sein Erststudium Philosophie beeinflusst haben muss, ist unverkennbar.

Tatsächlich strahlen die Bilder eine tiefe Ruhe aus. Hier sucht man nicht nach Detail und Bedeutungen wie bei Pepperstein. Stattdessen wollen diese Werke kontemplativ betrachtet werden. Die Pinselstriche verlaufen quer und stellen Weitläufigkeit her. Mit einem verwaschenen Balken in der Mitte schafft Gelabert einen Horizont, der dem Auge Orientierung gibt. Indem Faser für Faser sichtbar ist, wie sich die Farbe durch das Papier ausgebreitet hat, ist ein einzelner Balken voll von Leben. Einige Werke sind matt, strahlen weniger Kraft aus. Das sind dann wohl die abgelegeneren Ecken des „Still Land".

Mit der intendierten Leere und metaphysischen Idee hinter seinen Bildern spannt Gelabert wiederum einen Bogen zurück zu Pepperstein: Bindeglied ist Malewitschs „Schwarzes Quadrat", das ideelle Inspiration für Gelabert gewesen zu sein scheint und ganz konkret immer wieder bei Pepperstein auftaucht. Es suchte mit seiner Gegenstandslosigkeit nach Transzendenz. So weit geht man hier zwar nicht, aber die Galerie Kewenig zeigt, dass sowohl Humor als auch Verzicht probate Mittel sind, um sich zumindest kurz von den Tatsachen der Realität zu befreien.

„Animals and Supremas" sowie „Still Land", Galerie Kewenig, Oratori de Sant Feliu, C/. Sant Feliu, Palma. Mo.-Fr. 10 bis 14 und 16 bis 20 Uhr, Sa. 10 bis 14 Uhr, bis 15. September. Preise ab 1.200 Euro (Gelabert) und 1.000 Euro (Pepperstein).