Die vormittägliche 15-Minuten-Pause ist an diesem Donnerstag (12.7.) gerade zu Ende gegangen. Im Raum am Ende des Flures sitzen die Streicher und warten darauf, dass die Probe weitergeht. Währenddessen nutzen sie die Zeit, um noch einmal individuell an ihren Parts zu feilen. Dann kommt der Dirigent rein, fragt, was sie jetzt spielen wollen - und alle schreien durcheinander. Erst da zeigt sich das junge Alter der Musikerinnen und Musiker. Denn wir befinden uns im Konservatorium von Felanitx, beim „I. Encontre Orquestral Juvenil", dem ersten Orchestertreffen für Kinder und Jugendliche Mallorcas. Die rund 60 Teilnehmer sind zwischen acht und 14 Jahren alt und kommen aus allen Teilen Mallorcas. Begonnen wird die Probe letztendlich mit Beethovens „Ode an die Freude".

Die Fundació Barceló der gleichnamigen Hoteliersfamilie hat hiermit etwas ins Leben gerufen, was für ein Gebiet der Größe Mallorcas längst überfällig war: eine Art Sommercamp für musizierende junge Menschen. Es findet in Felanitx statt, weil die Familie Barceló hier ihre Ursprünge hat. Niedrigschwellig angelegt, aber ehrgeizig in dem Ziel, als Orchester innerhalb von fünf Tagen ein Abschlusskonzert hinzukriegen.

Der Weg ist das Ziel

Wie so oft ist allerdings der Weg das Ziel. Das Orchestertreffen orientiert sich in Aufbau und pädagogischem Hintergrund am „Sistema Abreu". Das System kommt aus Venezuela und ist eine Erfindung des inzwischen verstorbenen Dirigenten José Antonio Abreu. Ursprünglich war es ein Sozialprojekt, um durch Musik Kindern im überwiegend armen Venezuela Aufstiegschancen zu ermöglichen und ihnen die Werte eines Orchesters zu vermitteln. „Das System", wie es oft genannt wird, hat unter anderem den aktuellen Dirigenten des Los Angeles Philharmonic, Gustavo Dudamel, hervorgebracht. Grundlage waren dabei allerdings, anders als nun in Felanitx, umfangreiche staatliche Gelder, die regelmäßigen, kostenlosen Musikunterricht ermöglichten.

Inzwischen ist diese Methode weltweit bekannt. Das dürfte nicht zuletzt auch daran liegen, dass die ehemaligen Teilnehmer begeisterte Botschafter des Systems sind. Den Eindruck vermitteln zumindest die vier Berufsmusiker, die angereist sind, um in Felanitx zu lehren: Jacinto Herrera, José Parra, Angelica Martinez und Ángel Hernández stammen aus Venezuela und haben sich im Sistema Abreu kennengelernt. Zwei von ihnen kommen sogar aus dem gleichen Dorf. Ihr Studium beendeten sie außerhalb Venezuelas, inzwischen arbeiten sie an Konservatorien in Wien, Paris und der Schweiz.

Gemeinsam ist es lustiger

Wichtig sind ihnen neben der Musik vor allem die Werte, die ein solches Jugendorchester vermitteln kann: „Mehr als um den Musiker geht es um den Bürger. Das System basiert darauf, dass die Kinder die Werte einer Gemeinschaft erlernen", erklärt Hernández, der die Gruppe der hohen Streicher (Geige und Viola) leitet. Schließlich arbeiten sie zusammen auf ein Ziel hin. Zudem ist das Orchester eine Möglichkeit, das normalerweise sehr einsame Üben eines Instrumentes vergnüglicher zu gestalten.

Die vier Lehrenden sind das beste Beispiel für die Freundschaften, die beim gemeinsamen Musizieren entstehen können. Deswegen komme es beim Treffen in Felanitx auch nicht allzu sehr auf Perfektion an: „Man kann von null anfangen und zusammenwachsen", so Hernández.

Die Altersklassen und Niveaus sind bunt gemischt, sodass jeder von den anderen lernen kann. Die Lehrer sind von dem hohen Niveau der Schülerinnen und Schüler überrascht, „Die Kinder sind sehr motiviert", erzählen sie. Ein gewisser Grad an Erfahrung mit dem Instrument sei jedoch Voraussetzung für die Anmeldung gewesen, erklärt Juan Civia, der normalerweise Klavierunterricht am Konservatorium in Felanitx gibt.

Cosme zum Beispiel spielt schon sein halbes Leben lang Cello. Er ist zehn Jahre alt. Warum ist er hier? „Um mehr zu lernen. Um zu genießen", sagt der ernst und zurückhaltend wirkende Junge im grünen T-Shirt. Er erwähnt, dass er bereits in einem Kammer­orchester spielt. Berufsmusiker würde er schon gerne werden.

An Kindern wie Cosme stellt sich allerdings auch die Frage, wie niedrigschwellig dieses Angebot wirklich ist. Auch was den finanziellen Aspekt betrifft. Zwar ist die Teilnahmegebühr mit 25 Euro gering: Langjähriger Instrumentenunterricht aber hat seinen Preis.

Staunende Eltern

Die Schülerinnen und Schüler mit dem höchsten Niveau bilden ein Kammermusikensemble. Im großen Orchester spielen aber alle, nachdem zu Beginn der Woche zunächst in Kleingruppen nach Instrumentenfamilien sortiert geübt wurde. Das formale Ziel ist das Abschlusskonzert am Samstagabend (14.7.) im Auditorium von Felanitx. Bei den Proben motiviert das natürlich: „Das Publikum, eure Eltern, werden den Unterschied merken!", ermahnt Parra in der Probe die Bläser, die leisen Stellen auch wirklich „pianissimo" (sehr leise) zu spielen.

Wie es nach der Woche weitergehen wird, ob daraus etwas Langfristiges erwächst, wird sich zeigen müssen. Die Fundació Barceló zumindest ist mit dem Ergebnis mehr als zufrieden, so eine Sprecherin. Für nächstes Jahr ist bereits eine Wiederholung angedacht.