Am Morgen hatte Bernat Crespí, der erfolgreiche, aber bei seinen Mitmenschen weitgehend unbeliebte Schuhfabrikant noch den Verkauf seines Hauses in der Cala Santanyí abgelehnt. Am Abend hatte er sich auf der Straße mit seinem Schwiegersohn gestritten, was die Nachbarn mit großem Interesse heimlich verfolgt hatten. Und dann in der Nacht haut ihm ein Unbekannter mit einem großen Siurell-Imitat den Schädel in Stücke. Es gibt einen Haufen Verdächtiger. Und die beiden Kommissare Gabriel Ferrer und Rafael Salvà haben viel zu tun.

Actionreich und in kurzen - häufig keine zwei Seiten langen - Kapiteln steigt Claudia Wenk (Hamburg, 1965) in ihren Mallorca-Krimi „Der Tote von Santanyí" ein. Der Roman ist die zweite Veröffentlichung, die aus dem gemeinsam mit dem Emons Verlag und der Verlagsagentur Lianne Kolf von der MZ ausgeschriebenen Krimiwettbewerb hervorgeht. Der Siegertitel „Mandelblütenmord" von Christina Gruber erschien bereits im Frühjahr. Claudia Wenk war mit „Der Tote von Santanyí" eine der Finalistinnen.

Abneigung, Lügen, Heimlichtuerei

Mit jeder Seite taucht der Leser tiefer in ein Familiendrama ein. Eine Familie, in der Abneigung, Lügen und Heimlichtuerei den Alltag bestimmen. Väter, die grausam zu ihren Kindern sind. Lieblose Ehen. Eifersucht. Und dies alles eingebettet in eine kerkerhaft enge Gesellschaftsstruktur, in der fast jeder miteinander auf oft unheilvolle Weise miteinander verbandelt ist. Auf diese Welt lässt die Autorin zwei Kommissare prallen, die wie eine moralische Keule wirken. Zwar nicht absolut fehlerfrei, aber überaus redlich, arbeitsam und integer.

Wenk hat einen überraschend „mallorquinischen" Krimi geschrieben, der ohne einen einzigen deutschen oder deutschstämmigen Protagonisten auskommt. Das ist ungewöhnlich für einen Kriminalroman aus deutscher Feder. Das Mallorquinische ist dafür dick aufgetragen, etwa wenn keiner der Protagonisten jemals etwas anderes als traditionelle Insel-Gerichte zu essen scheint. Oder wenn Aspekte des Insellebens in die Geschichte eingebaut und erläutert werden. Doch diese Hinweise, die den Erzählfluss hier und da ein wenig brechen mögen, sind gut gewählt und bieten manch reizvollen Tipp für Mallorca-Besucher.

Stets nachvollziehbar

„Der Tote von Santanyí" erzählt eine Geschichte, die sich überall hätte zutragen können. Das ist kein Nachteil. Mallorca ist Schauplatz, nicht Raison d'Être für die Geschichte. Diese wird von ihren Protagonisten getragen. Trotz allen Dramas, trotz aller menschlicher Abgründe bleiben diese Figuren und die Entwicklung, die sie durchmachen, stets nachvollziehbar. Das sorgt dafür, dass die Geschichte nicht aus dem Ruder läuft und bis zum Ende spannend bleibt.

Der Tote von Santanyí von Claudia Wenk, Emons Verlag, 256 Seiten, 10,90 Euro