Tzik-Tzik-Tzik-Tzik legt das Schüttelrohr los, während sich ein fiepender Streicherton aufbaut. Percussion und Bass setzten ein, spielen zwei Takte, bevor Gitarre, Streicher und Blasinstrumente einsetzen. So beginnt einer der erfolgreichsten Songs der spanischsprachigen Musikgeschichte. Und mit ihm eine gleichnamige LP: „Mediterráneo" von Joan Manuel Serrat aus dem Jahr 1971.

Jetzt geht der 74-jährige Katalane mit seinem legendären Album unter dem Titel „Mediterraneo da capo" noch einmal auf Tour. Nachdem er im Juli zwei Termine in Palma wegen einer Kehlkopfentzündung absagen musste, sollte es diesmal klappen: Am Samstag (8.9.) will Joan Manuel Serrat im Kongresszentrum in Palma „Mediterráneo" wieder aufleben lassen. 47 Jahre nach der Erscheinung. Er wolle sich nicht von runden Zahlen unter Druck setzten zu lassen, sagte er kürzlich der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca". Jetzt sei ein guter Moment für diese Tournee.

Wenn man den im Internet veröffentlichten Setlists der bisherigen Konzerte der Tour glauben darf, wird Serrat seine Show auch in Palma wieder mit der titelgebenden Hymne beginnen. Das Album enthält einige gute Lieder, aber dieser eine Song sticht heraus. Der Musikjournalist Fidel Moreno erklärt in seinem Buch „Qué me estás cantando", Serrat habe das Lied ursprünglich im 5/4-Takt komponiert. Es sei der Produzent des Albums, Juan Carlos Calderón, der es zum luftigen 6/4-Takt umarrangierte, der an den Samba-Song „Crickets Sing for Anamaria" von Marcos Valle erinnere.

So Poetisch wie eingängig

Doch es ist nicht so sehr die verspielte, bisweilen ins Euphorische mäandernde Musik, die „Mediterráneo" zu einem Klassiker machte, der regelmäßig zum besten Song in spanischer Sprache gewählt wird. Es ist vor allem dieser poetische, romantische, eingängige Text. Der Tonfall wird schon von der ersten Zeile vorgegeben: „Quizás porque mi niñez sigue jugando en tu playa" (Vielleicht weil meine Kindheit weiterhin an deinem Strand spielt). Serrat erzählt davon, wie das Meer ihn und sein Leben geprägt hat. „Soy cantor, soy embustero, me gusta el juego y el vino, tengo alma de marinero. ¿Qué voy a hacer si yo nací en el Mediterráneo?" (Ich bin Barde, ich bin Schwindler, ich mag das Spiel und den Wein, ich habe die Seele eines Seemanns. Aber was soll ich machen? Ich wurde am Mittelmeer geboren). Am Ende bittet Serrat darum,

zwischen Strand und Himmel begraben zu werden. Auf einem Berg, mit schönem Ausblick, werde sein Körper den Kiefern das Grün und dem Ginster das Gelb geben.

Klampfen in der Bar Fernando

Auf dem Cover von „Mediterráneo" blickt einem ein junger Serrat mit etwas zweifelndem Blick entgegen. Er war damals 27 Jahre alt. Das Album ist ein introspektives Werk, mit Liebesliedern wie „La mujer que yo quiero" oder „Lucía", ebenfalls Serrat-Klassiker. Teile des Albums sind auf Mallorca entstanden. Serrats Eltern hatten ein Haus in Cala d'Or im Carrer dels Ravells. Heute ist an der Stelle ein Fünf-Sterne-Hotel. Damals war der Ort bei Künstlern beliebt. Serrat, so erzählt man sich, war häufig in der Bar Fernando anzutreffen, wo er mit anderen Musikern zusammensaß und Gitarre spielte.

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Seine Ode ans Mittelmeer allerdings entstand nicht hier, sondern in Mexiko. Der Zeitung „El País" erzählte Serrat vor vier Jahren, er habe dort eines Tages das Mittelmeer so vermisst, das er an den nächstbesten See gefahren sei und dort das Lied geschrieben habe. „Da habe ich festgestellt, dass das Meer und insbesondere das Mittelmeer für mich ein grundlegender Teil meiner Identität ist", sagte er.

Im Visier der Zensur

Als das Album erschien, hatte Serrat keine leichten Jahre in Spanien hinter sich. 1968 hatte ihn der staatliche Fernsehsender TVE kurz vor dem Eurovisions-Grand Prix herauskomplimentiert, weil er darauf bestand, zumindest eine Strophe des Liedes „La, la, la" auf

Katalanisch singen zu dürfen. Stattdessen trat die Sängerin Massiel an - es heißt, Serrat habe das Spektakel verbittert in Cala d'Or im Fernsehen verfolgt. Für längeren Gram gab es keinen Anlass: Massiel gewann den Wettbewerb, aber Serrat machte die Karriere.

1970 schloss sich der Liedermacher gemeinsam mit 300 anderen katalanischen Aktivisten im Kloster Montserrat ein, um gegen einen Prozess gegen ETA-Mitglieder zu protestieren. In jener Zeit war es für Serrat praktisch unmöglich, dass seine Lieder im spanischen Radio und Fernsehen gespielt wurden. Mit Lateinamerika blieb ihm dennoch ein ausreichend großer Markt für seine Musik. Und das Album „Mediterráneo" stürmte trotz der Zensur an die Spitze der spanischen Charts. Es verlieb fast ein Jahr in der Liste der zehn meistverkauften Alben.

Besonders häufig zu hören war „Mediterráneo", das Lied, vergangenes Jahr. Zunächst nahm Serrat im Januar eine neue Version mit spanischen Popmusikern wie Sidonie, Santi Balmes oder Judit Neddermann auf. Die Musiker unterstützten damit eine Kampagne zur Aufnahme von Flüchtlingen, die im Mittelmeer gerettet werden. Im Oktober dann riefen spanische Nationalisten dazu auf, den Sprechchören der katalanischen Separatisten „Mediterráneo" entgegenzusetzen. Zuvor hatte sich der Sänger kritisch über das von der damaligen Regionalregierung ausgerufene Referendum geäußert. Doch der Sänger erteilte den Bestrebungen eine Absage und bat höflich darum, sein Lied nicht für diese Zwecke zu instrumentalisieren.

Kongresszentrum Palma, 8.9., 21.30 Uhr. Karten für 54 bis 92 Euro