So haben sie sich ihren Urlaub nicht vorgestellt, die beiden jungen Madrider Pärchen, die am Flughafen in Palma ankommen. Mit einem Mietwagen verirren sie sich auf den unübersichtlichen und unbeschilderten Straßen von Mallorca. Erst wird eines der Mädchen von einem Bäcker beim Pinkeln bespannert, dann überfahren sie fast einen Mann, der mitten auf einem Feldweg liegt. Dass ihre Probleme da erst richtig losgehen werden, wissen die vier Protagonisten in Carlos Jofres Slasher-Film „Verano Rojo" (Roter Sommer), der jetzt auf DVD erschienen ist, zu dem Zeitpunkt noch nicht. (engl. slash: aufschlitzen)

Ein fetter Typ in Schweinemaske überfällt die Gruppe und bringt sie in ein Haus, wo sie in Käfigen landen. Auch der Mann, den sie fast überfahren haben, lauert da mit seinem Vater und seinem Sohn. Ihr Ziel, das wird bald deutlich: aus den jungen Urlaubern leckere Sobrassada mit zertifizierter Herkunftsbezeichnung zu machen. Alex, das anstrengendste Mitglied der Gruppe, muss als Erster dran glauben. Finger ab, Zunge ab, und zack wird ihm die Kehle durchgeschnitten. Der beinahe Überfahrene zwingt derweil eines der Mädchen zum Oralsex, die rächt sich mit einem beherzten Biss in sein Gemächt. Es beginnt eine schaurige Nacht, in der unter anderem der Sohn der Familie, Tomeu, das andere Mädchen vergewaltigen soll, beim Versuch aber umgebracht wird. Am Ende kommt es zu einem Zweikampf zwischen einem der Mitglieder der Gruppe und dem finsteren, stets schweigenden Schweinemaskenmann.

Die Mallorquiner sind ranzig, fies und aggressiv

Trotz der für das Genre angemessen schaurigen Szenen, ist dem mallorquinischen Regisseur Jofre ein an manchen Stellen durchaus witziger Film gelungen. Das liegt vor allem daran, dass er sich nicht zu schade ist, Klischees noch mal zu überspitzen. Die vier Hauptstadtmenschen (von mallorquinischen Schauspielern dargestellt) sind jung, attraktiv und arrogant. Die Mallorquiner hingegen sind ranzig, fies und aggressiv gegenüber Touristen. Zudem scheint diese Familie noch ziemlich intensiv in den Schrecken des Bürgerkrieges zu stecken - und die Urlauber für weitere Schergen des Diktators Franco zu halten. Es ist gewissermaßen der perfekte Film für all diese Menschen, die zwar vorgeben, die Insel zu mögen, ihre Bewohner aber nicht ausstehen können - und sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen wollen.

In Jofres Augen dürfte es natürlich nichts anderes als gnadenlose Selbstironie sein. Allein der breite mallorquinische Akzent, mit denen er die Fieslinge (u. a. dargestellt von Simon Andreu) ihre Worte auf Spanisch an ihre Geiseln richten lässt, ist ein großes Vergnügen. Oder dass der spannernde Bäcker den Urlaubern aus der spanischen Hauptstadt sagt: „Ach, ihr seid Ausländer? Ja, dann reden wir Spanisch, kein Problem", persifliert gekonnt das Inselwesen.

In seiner Essenz, in seinem Humor ist „Verano Rojo" unheimlich mallorquinisch. Genau deswegen wird die Insel auch nicht wie in einem Werbefilm dargestellt. Bis auf eine kurze Strandsequenz am Anfang, ist die Landschaft karg, leblos und weitgehend uninteressant. Es ist die „Mallorca profunda", das ländliche, altbackene Mallorca, das sich an denen rächt, die über die Insel herfallen. „Verano Rojo" ist ein Film, dessen Nuancen sich vermutlich nur all denen erschließen, die die Mallorquiner wirklich gut kennen. Für alle anderen gibt es eine ordentliche Horrorgeschichte - mit einer ganzen Menge Blut.