Es gibt eine Geschichte, die Jaume Mayol gern erzählt. Sie handelt von einem escar, einem Unterstellplatz für Boote an der Südküste von Mallorca. Der Felsen machte das Anlegen unmöglich. Wer auch immer den escar baute, trug den Felsen in Blöcken ab. Dabei baute er eine Treppe, die vom Wasser hoch aufs Land führte. „Mit den Blöcken baute er dann den escar. Dieser hat ein gewölbtes Dach und wird von zwei Seiten belüftet, sodass es immer kühl drin ist", so Mayol. „Zudem fügt es sich perfekt in die Landschaft ein." Natürlich ist das architektonisch keine große Sache. Aber es ist für Mayol das perfekte Beispiel für die Philosophie, die Mayol und seine Frau Irene Pérez mit ihrem Architektenbüro ted'A Arquitectes anwenden wollen.

Gleich zwei Preise hat das Architekten-büro, das seine Zentrale an einer lauten Kreuzung an den Avenidas in Palma hat, bei der diesjährigen Ausgabe des spanischen Architekturpreises FAD bekommen: den für die Innenarchitektur in einem Haus mit Ferienwohnungen in Can Picafort. Und den für das beste internationale Projekt für den Bau der Schule im Westschweizer Dörfchen Orsonnens. Es war das erste Mal in der Geschichte des 1958 gegründeten Preises, dass ein Büro zwei Preise bekommen hat. Wobei Büro das falsche Wort ist. Mayol sieht seine Firma eher als Werkstatt, als Studio. „Büro klingt so nach Verwaltung", sagt der Mallorquiner, der ursprünglich aus Montuïri stammt. Deshalb auch der Name ted'A. Er steht für taller-estudi d'arquitectura (Werkstatt-Studio für Architektur). Der Apostroph verweist auf die mallorquinische Sprache, also das Hiesige. Dass das A groß geschrieben ist, soll die Detailverliebtheit der Architekten symbolisieren. Es ist ein anonymer Name, damit jeder, der an den Projekten beteiligt ist, sich darin wiederfinden kann.

Wir sind, wo wir sind

„Som a on som", zitiert Jaume Mayol einen Satz aus dem Buch „Paraules locals" des katalanischen Künstlers Perejaume. Wir sind, wo wir sind. Das ist noch so etwas, was diese Architekten prägt. Man arbeitet mit dem, was die Traditionen und Materialien des jeweiligen Ortes hergeben.

Diese Konzentration auf das Nachhaltige und Regionale ist ein Trend bei der jungen mallorquinischen Architektenszene, die bei den diesjährigen FAD-Preisen auch sonst gut vertreten war. Carles Oliver zeichnete für das Siegerhaus in der Kategorie Architektur, dem sogenannten Posidonia-Haus auf Formentera, mitverantwortlich und war auch für die Restaurierung einer Wohnung in Palma nominiert. Ebenfalls nominiert war das Duo

SMS Arquitectos für ihr „Plywood House" in Palma. „Auch wenn wir unterschiedliche Stile haben, arbeiten wir alle gern mit Handwerkern von der Insel zusammen, die am besten wissen, wie man die hiesigen Materialien einsetzt", sagt Mayol.

Sich bei einem bestimmten Projekt auf die Tradition zu berufen, ist für ted'A auf Mallorca natürlich leichter als in der Schweiz, wo man sich das erst mal erarbeiten muss. Der Außenseiterblick habe aber auch Vorteile, sagt Jaume Mayol und führt das Beispiel von Jørn Utzon an. Als der Architekt der Oper in Sydney in den 60er-Jahren nach Mallorca kam, orientierte er sich bei dem Bau seines Hauses Can Lis an dem, was er auf der Insel gesehen hatte. „Ohne uns mit ihm vergleichen zu wollen, haben auch wir versucht, mit dieser Einstellung an den Schulbau heranzugehen. „Man bemerkt als Außenstehender manchmal Sachen, die für den Einheimischen viel zu alltäglich sind, als dass er den wahren Wert dahinter erkennt."

Faszination Bauernhaus

Bei Besuchen in der Schweiz spazierten die Architekten durch Orsonnens und die angrenzenden Dörfer. „Die alten Bauernhöfe faszinierten uns", so Mayol: kompakte Gebäude mit geraden Linien und ebenso offenen wie sichtbaren Strukturen in den Innenräumen, üblicherweise auf einem Fundament aus Beton oder Stein und mit viel Holz gebaut. „So haben wir dann auch die Schule konzipiert. Wenn man aus der Ferne auf das Dorf blickt, sieht es so aus, als stehe da am Ortsrand ein Bauernhaus."

Bei der Ausstattung versuchte ted'A, ein Gleichgewicht zwischen dem Authentischen und den Bedürfnissen der Schüler zu finden. „Wir haben gefragt: Welche Lampen benutzt ihr auf euren Bauernhöfen? Und welche davon haben das beste Licht, damit die Schüler lesen können? Am Ende findet man heraus, dass die beste Lösung meist relativ simpel und dadurch auch kostengünstig ist", so Mayol. „Letzten Endes geht es vor allem darum, dass sich die Schüler wohlfühlen. Denn sie verbringen an diesem Ort wahrscheinlich mehr Stunden als in ihrem eigenen Zuhause."

Zum Meer offen

In Can Picafort hingegen war die Aufgabe anders, weil das Gebäude schon stand. „Es ging uns dabei eher um eine Umstrukturierung der bestehenden Betonstruktur. Es handelt sich um ein Haus, das nach hinten an einer Straße liegt, nach vorne zum Meer offen ist. Wir wollten innerhalb des Hauses einen Durchlauf von der Straße zum Meer schaffen, auch weil das eine bessere Durchlüftung und Kühlung der Wohnungen ermöglicht." Bei der Gestaltung habe man auf das mallorquinische Handwerk gesetzt. „Handwerk bedeutet, dass man etwas mit der Hand macht. Dadurch entstehen Unregelmäßigkeiten. Wir haben diese Perfektion des Unperfekten gesucht", sagt Mayol. Zu sehen sei das unter anderem bei den Keramikfliesen.

Jaume Mayol beruft sich dabei auf George Perecs Buch „L'infra-ordinaire", das auf Deutsch „Warum gibt es keine Zigaretten beim Gemüsehändler?" heißt. „Darin schreibt er, dass Züge nur existieren, wenn sie entgleisen. Wenn alles funktioniert, wie es soll, werden sie nicht beachtet. Das wollten auch wir erreichen. Wenn jemand sagt: ?Ich bin an eurem Gebäude vorbeigelaufen und habe es nicht bemerkt?, dann ist das für mich das größte Lob."