Leo Bassi ist dagegen. Meist gegen alles. Als Satiriker und selbst ernannter Narr zieht er über Gott und die Welt her. Der 67-jährige Italiener, der seit vielen Jahren in Madrid lebt und arbeitet, ist Atheist. Das müsse man nicht groß verschweigen, meint er. Obwohl das nur zum Teil stimmt. Mit dem Patolicismo (vom spanischen Wort pato für Ente) hat er eine eigene Art von Religion geschaffen, die eine Quietsche-Ente als Gott verehrt. In Palma de Mallorca ist Bassi am Samstag (22.9.) im Teatre Xesc Forteza zu sehen. "El último bufón" handelt von seiner Familie und seiner nunmehr 40-jährigen Berufserfahrung als Narr. Ein Gespräch über Comedy und Satire, den Patolicismo und die Meinungsfreiheit in Spanien.

Es gibt auf der Welt viele Komiker. Warum sehen Sie sich als den letzten Narren?

Die Stand-up-Comedy von heute hat nichts mit dem zu tun, was ich mache. Ich komme aus einer Familie, die seit sieben Generationen das Volk als Narr unterhält. Ich bin der Letzte, der diesen Ursprung im Zirkus noch selbst erlebt hat. Wenn ich mich mit meinen jungen Kollegen vergleiche, merke ich, dass ich von einem anderen Planeten komme. Ich bin ein

Dinosaurier.

Ein Narr zeichnet sich dadurch aus, dass er viel und oft lacht. Vergeht Ihnen dieses Lachen manchmal?

Das Wichtigste ist der Optimismus. Auch in den tragischsten Momenten verliere ich nicht den Glauben an bessere Zeiten. Das macht einem dann auch Lust auf das Lachen. Es ist pure Lebensfreude.

Ihre Auftritte sind von Provokation und Gesellschaftskritik gezeichnet. Ich nehme an, Sie sehen Ihre Aufgabe jetzt nicht darin, das Publikum zu unterhalten.

Das machen Clowns. Die Komiker heutzutage sind es. Ihre Kritik bleibt höchstens oberflächlich. Meine Arbeit geht auf die alte deutsche Tradition des Narren zurück, der an den Höfen der Ratgeber der Könige und Bischöfe war. Einige von ihnen hatten hohe politische Ämter. Der Narr war der Einzige, der den Mut hatte, dem König die Wahrheit aufzuzeigen. In diesem Sinn sehe ich es als meine Aufgabe, das Publikum aufzuwecken. Deswegen hatte sich meine Familie auch für den Namen Bassi entschieden. Im Italienischen heißt das „unten", sprich ein niedriger sozialer Status. Ich bin der Gegenpol zu den Mächtigen, der Sprecher des einfachen Mannes.

Sie sind auch schon das eine oder andere Mal zensiert worden. Wie steht es um die Meinungsfreiheit in Spanien?

Das nationalkonservative Spanien hat noch eine beträchtliche ideologische Macht. Neben der Politik hat auch die katholische Kirche einen großen Einfluss. Ich habe es am eigenen Leib erfahren, als ein Auftritt von mir im Teatre del Mar in Palma verboten wurde, weil das Gebäude dem Bistum gehört. Mallorca kennt sich auch sonst mit mangelnder Meinungsfreiheit aus, siehe den Rapper Valtonyc.

Der fantasierte in einem Lied darüber, eine Bombe auf den Politiker Jorge Campos zu werfen. Wo sind die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Morddrohung?

Diese Art der Provokation ist nicht mein Ding. Allerdings gab es bereits vor 20 Jahren in den Texten britischer Punkbands Morddrohungen, und es gibt sie heute im Gangsta-Rap in den USA. Am Ende entscheidet der Markt darüber. Wenn die Texte so bösartig sind, wird sie niemand hören wollen. Wenn sie ein breites Publikum ansprechen, bedeutet das, dass die Leute die Meinung teilen. Ich glaube nicht, dass die Fans von Valtonyc seine Lieder hören und danach mit Waffen auf die Straße gehen. Die Texte sind nur eine Posse. Daher empfinde ich dreieinhalb Jahre Haft für Valtonyc als lächerlich. Zum Glück sieht die belgische Justiz das auch so.

Auch Sie wurden wegen Ihrer Blasphemie schon zum Ziel eines Attentats.

2006 in Madrid. Ich hatte zwei Monate lang in einem Theater über den Atheismus referiert und Widersprüche in der Bibel aufgezeigt. Der Saal war immer voll. Katholische Extremisten waren empört und haben am Anfang versucht, am Eingang das Publikum mit Eisenstangen einzuschüchtern. Eines Tages fand ich eine Bombe mit einem Kilo Sprengstoff an der Tür meiner Garderobe. Ich hatte viel Glück, dass sie nicht explodiert ist.

Warum ist es besser, an eine Quietsche-Ente zu glauben als an Jesus Christus?

Die Ente stört niemanden. Sie ist unschuldig. Niemand tötet im Namen der Ente. Zudem ist sie Menschen aller Religionen und Farben auf der Welt sympathisch. Daher ist sie mein Gott.

Hat sich Ihr Glauben schon zu einer eigenen Religion entwickelt?

Es ist purer Atheismus. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand seine Notdurft auf der Ente verrichtet. Allerdings hat sich schon eine Gemeinde mit Gläubigen zusammengefunden. Ich habe bereits 60 Hochzeiten und drei Beerdigungen durchgeführt. Im Namen der Ente, des Eis und der heiligen Gans. Bei den Beerdigungen ist es schwierig, den nötigen Respekt zu wahren. Trotz aller Komik sind die Verstorbenen wirklich tot, und die Angehörigen trauern. Ansonsten möchte ich den Glauben noch weiterentwickeln. Ich arbeite an einer aufblasbaren Kathedrale.

Was sagen Sie zum weltweiten Vormarsch der Rechtspopulisten?

Es gibt eine moralische Leere, es fehlt an Werten, die Menschen greifen auf Gestriges zurück. Das sind dann meist Leute, denen es an politischen Kenntnissen fehlt. Sie sehnen sich nach klaren Verhältnissen und demonstrieren gegen Ausländer. Dabei sind auch die Bombenangriffe der Europäer schuld, dass die Flüchtlinge überhaupt gekommen sind. Meine Nichte arbeitet als DJ in Berlin und nimmt an antifaschistischen Kundgebungen teil. Es ist gut, dass die politische Debatte in Deutschland so offen ist. Wichtig ist, dass die Menschen miteinander reden, und dass man Diskussionen provoziert. Ich sehe Deutschland als ein Land, das Europa stabilisiert.

Geht es bei Ihrem Stück auch darum?

Nein, die Politik spielt keine so große Rolle. Mir geht es darum, die Traditionen meiner Familie Revue passieren zu lassen. Das Highlight sind Filmaufnahmen meiner Urgroßeltern von den Brüdern Lumière, den Erfindern des Kinos. Sie haben in ihren Anfängen viele Zirkusvorstellungen gefilmt. Die Zuschauer sehen die 122 Jahre alten Aufnahmen meiner Urgroß­eltern und den Urenkel live auf der Bühne. Das ist ein packender, poetischer Moment.

Leo Bassi, „El último bufón", 22.9., 20.30 Uhr, Teatre Xesc Forteza, Palma, Abendkasse: 25 Euro.