Pere Estelrich war der erste Geschäftsführer der Balearen-Sinfoniker. Er baute 1989 das Orchester mit auf, erarbeitete die Zugangsvoraussetzungen für die Musiker - und warf dann 1992 entnervt hin, weil die Politiker das Orchester nicht mit dem immer wieder versprochenen Budget ausgestattet hatten. Heute sei das anders, sagt der 63-Jährige im Garten seines Hauses in Palmas Viertel Son Espanyolet. Heute, knapp 30 Jahre später, gebe es finanzielle Sicherheit. Estelrich ist inzwischen Lehrer für Mathematik am Colegio San Cayetano in Palma und Musikkritiker für Klassik bei der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca". An diesem Donnerstag (27.9.) starten die Balearen-Sinfoniker in ihre 30. Spielzeit, die bis Mitte Mai dauert.

Die Saison geht wieder los. Was halten Sie vom Programm?

Aus meiner Sicht ist es außerordentlich gut. Das war es in den vergangenen Jahren bereits häufig, die Programme können sich im nationalen und ­internationalen Vergleich ohne Probleme sehen lassen. Dank der Akademie der Sinfoniker gibt es inzwischen auch genügend gute Nachwuchsleute, die man im Orchester einsetzen kann, wenn Not am Mann ist. Das Orchester kann viel aufwendigere Produktionen stemmen als vor ein paar Jahren.

Zeigt sich das auch bei den für diese Spielzeit ausgewählten Werken?

Ja. Ich würde in dieser Saison zwei Höhepunkte hervorheben: Zum einen ist das die 9. Sinfonie von Gustav Mahler (21. Fe­bruar 2019). Die wurde noch nie auf Mallorca aufgeführt. Man braucht dafür mehr als 120 Musiker. Und zum anderen ist es die Matthäus-Passion von Bach (14. Februar 2019). Dafür sind zwei Chöre nötig - der Universitätschor wird dafür aufgeteilt - und zwei Mini-Orchester. Und die Solisten müssen sehr gut sein. Für den Evangelisten, der wichtigsten Rolle in dem Stück, hat man einen Sänger gefunden, der diesen Part schon auf der ganzen Welt aufgeführt hat (Nicolas Mulroy, Anm. d. Red.). Das ist der Vorteil, wenn wie im aktuellen Fall der Geschäftsführer Pere Bonet selbst Sänger ist und sich auf dem Gebiet auskennt. Der weiß, wen er holt.

Auffällig ist, dass sich die Namen der Solisten und Dirigenten, die von außen kommen, wiederholen. Ist das Bequemlichkeit?

Auf keinen Fall. Es sind nahezu alles Leute ersten Ranges. Das geht gleich los mit dem Auftaktkonzert und dem Dirigenten Leonard Slatkin. Das ist einer, den sich die Sinfoniker unter normalen Umständen gar nicht leisten können. Ich weiß nicht, ob er eine besondere Zuneigung zu Mallorca hegt, aber Slatkin dirigiert normalerweise in New York, Berlin oder London. Auch Leopold Hager (22. November), der bereits zum dritten Mal kommt, ist ein echter Star unter den Dirigenten. Er hat ein Haus auf der Insel und ist Mallorca schon deshalb sehr verbunden. Und es geht bei den Solisten weiter. In diesem Jahr sehen wir in Palma zwei der weltweit besten Geigerinnen. Zum einen ist das die Russin Viktoria Mullova (14. März 2019). Und zum anderen die ­Japanerin Midori Goto (31. Januar 2019). Sie gibt nur ganz wenige Konzerte im Jahr und sucht sich genau aus, wo sie auftritt. Sie lebt in den USA sehr zurückgezogen und hasst jede Form von Luxus. Wenn man sie verpflichten will, muss man sie mit anderen ­Dingen als mit Geld locken. In ihrem Fall war wohl Francesc Fullana (mallorquinischer Geiger, Anm. d. Red.) ausschlaggebend. Er nimmt bei ihr Unterricht und bestreitet das Konzert gemeinsam mit ihr.

Wo stehen die Sinfoniker im weltweiten Vergleich?

Das ist unmöglich zu sagen. Natürlich spielen die großen Orchester der Welt in einer anderen Liga, aber innerhalb von Spanien gehören die Sinfoniker auf jeden Fall zu den wichtigen Orchestern. Und was die Gastsolisten angeht ohnehin: Da bietet Mallorca einen echten Standortvorteil. Wenn etwa ein Star aus Asien oder den USA für ein Konzert nach Wien kommt, macht er gern einen Abstecher nach Palma, um dort dasselbe Konzert noch einmal zu geben. Natürlich kassiert er in Wien ein Vielfaches von dem, was er auf der Insel bekommt. Aber er nimmt das Konzert in Palma mit und bleibt noch ein paar Tage auf der Insel, um sich zu erholen.

Die Sinfoniker treten sechsmal in Manacor

Ich finde auch, dass das Orchester regelmäßig anderswo auftreten sollte. Die Region Inca etwa oder Alcúdia ist nicht abgedeckt. Auch die Auftritte auf den anderen Inseln halten sich bisher in Grenzen.

Mehr Auftritte führen zu mehr Bekanntheit und würden vielleicht auch das Auditorium bei den Abokonzerten endlich füllen. Wie sehen Sie das?

Ich sehe das größere Problem darin, dass sich vor allem ältere Menschen für Klassik begeistern können. Ich war vor Kurzem in Salzburg in der Oper und war mit meinen 63 Jahren der Jüngste im Publikum. Wir müssen die klassische Musik den Jüngeren näherbringen. Die fehlen in den Konzerten.