Menschenleer sind die Straßen, die Höfe, die Häuser der Stadt. Zwischen dem ganzen Müll hat die Natur wieder die Überhand. Exotische Vögel machen sich dort breit, wo einst Leute zur Arbeit gingen, Kinder spielten, Autos fuhren.

Die Vergänglichkeit ist ein immer wiederkehrendes Motiv in den Arbeiten des mallorquinischen Malers Tomás Pizá.

Vor drei Jahren etwa zeigte er in der Galerie Xavier Fiol in Palma die Ausstellung „Three Years Later". Damals malte er verfallene Orte in einem Ostberliner Vorort, die er schon drei Jahre zuvor besucht hatte. Es war eine Auseinandersetzung mit der Bewahrung der Erinnerung an den Kalten Krieg. Auch in seiner aktuellen Ausstellung „Nothing But Flowers" in der Casa de Cultura in Felanitx spielt Pizá mit dieser Thematik. Der Titel ist einem Song der New Yorker Post-Punk-Band Talking Heads entliehen.

Früher hatten wir Mikrowellen

In dem Song, dessen Text teilweise in der Ausstellung zitiert wird, besingt die Band eine Welt, in der die Natur sich Orte von der Zivilisation zurück­erobert. Der Erzähler in dem Lied trauert den Bequemlichkeiten dieser Welt nach. So heißt es etwa: „We used to microwave/ Now we just eat nuts and berries/ This was a discount store/ Now it?s turned into a cornfield" (Früher hatten wir Mikrowellen/ heute essen wir nur Nüsse und Beeren/ Das hier war mal ein Discounter/ Jetzt ist es ein Maisfeld).

Wie auch in der „Three Years Later"-Ausstellung basieren die Motive von Pizá auf existierenden Orten. Der Künstler lebt seit etwas mehr als einem Jahr in London, nimmt dort dank eines Kulturförderprogramms des balearischen Kulturinstituts an einem Masterstudiengang in klassischer Malerei teil. „Ich habe mein Viertel in London gemalt, die Bilder zeigen im Grunde die Walworth Road im gleichnamigen Stadtteil", sagt er der MZ. „Gleichzeitig habe ich die Bilder aber so gehalten, dass es jeder beliebige Ort der Welt sein kann."

Erstmals ohne Konzept

Der Unterschied zu bisherigen Arbeiten liege darin, dass er bisher immer mit einem durchdachten Konzept an seine Ausstellungen herangegangen sei. „Diesmal habe ich mich, auch inspiriert durch den Austausch mit meinen Kommilitonen, vom Pinsel leiten lassen. Ich habe erst einmal gemalt. So langsam hat sich mit der Zeit ein Konzept ergeben, in diesem Fall basierend auf dem Song der Talking Heads."

In drei der sechs Bilder der Ausstellung ist eine Art gläserner Iglu zu sehen, der wie ein Pavillon in einem Garten wirkt. „Das ist für mich das futuristische Element, das auch in dem Song vertreten ist." Auch hier habe er sich an der Realität orientiert, sagt Pizá. „Nur die exotischen Vögel habe ich da natürlich reingedichtet." Das Jahr in London habe sich auch noch in anderer Hinsicht auf seine Bildsprache ausgewirkt, sagt Pizá. „Der Kunstkritiker Fernando Castro Florez hat mir vor Jahren einmal gesagt, ich sei ein Neo-Sorollist, dass ich also das gleiche helle, freundliche Mittelmeerlicht wie der Maler Joaquín Sorolla in meinen Bildern verwende." Dem sei nicht mehr so. „Die Abwesenheit von Licht in London hat sich auch auf meine Gemälde ausgewirkt."

Malen mit den Grundfarben

Es gibt ein Bild in der Ausstellung, in dem Flamingos durch einen zugemüllten Hof wandeln. „Hier sieht man das am besten. Der Himmel ist dramatisch, das Licht ist beinahe theatralisch. Es hat etwas Barockes." Seine Maltechnik, nur mit den drei Grundfarben Magenta, Gelb und Cyan­blau, habe er hingegen nicht verändert. Auch das ist neben der Thematik ein Grund, warum die Bilder leicht als Werke von Tomás Pizá zu erkennen sind.

Pizás kommende Ausstellung, die er am 15. Dezember in Madrid eröffnen will, wird ebenfalls von der Einsamkeit in der Stadt und der Vergänglichkeit der Zivilisation handeln. Das Thema lässt ihn nicht los. „Diese Arbeiten habe ich bei einer künstlerischen Residenz in vergangenen Sommer in Peking fertiggestellt."

Inspiration bei Walter Benjamin

Eine weitere Inspiration für den mallorquinischen Künstler ist ein Text von Walter Benjamin über Paul Klees Gemälde „Angelus Novus", das eine Engelsfigur zeigt. Darin heißt es: „Ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm." Auch mit dem Gemälde „Et in Arcadia Ego" des Barockkünstlers Guercino (1591-1666) habe er sich viel beschäftigt, sagt Tomás Pizá.

Dass die Ausstellung in Felanitx gezeigt wird, geht auf den dortigen Kulturdezernenten Xisco Duarte zurück. Duarte ist Künstler und hat angefangen, das Kulturhaus neu zu beleben, in dem er junge, aber etablierte Künstler von der Insel verpflichtet. Vor Pizá waren das unter anderen Albert Pinya und Bel Fullana. Parallel zu „Nothing But Flowers" ist im Erdgeschoss die Ausstellung „El status de la cicuta" vom aus Calvià stammenden Künstler

Javier Garló zu sehen. Dieser setzt sich in seinen Gemälden und Skulpturen auf recht plakative Weise mit der Frage nach der Wahrheit in Zeiten von Fake News und „alternativen Fakten" auseinander.

Die Ausstellung ist bis zum 9. Dezember in der Casa de Cultura in Felanitx zu sehen.