Kurator Peter Higgs hebt bedeutungsschwanger den Zeigefinger: „Ich habe sehr mit meinen Kollegen ringen müssen, damit diese Figur in diese Ausstellung aufgenommen werden kann", sagt der britische Historiker. In der Vitrine steht der behelmte Bronzekopf eines Ringers. Auf der Stirn hat er eine Narbe, die wohl früher mit Kupfer gefüllt war, um mit dem rötlichen Farbton das Blut nachzustellen. Im alten Griechenland waren solche Darstellungen von verdienten Sportlern durchaus üblich. „Im Mittelalter hat man sie dann vielfach eingeschmolzen, da Bronze rar war und es für andere Zwecke gebraucht wurde", erklärt Higgs.

Der Bronzekopf ist eines der Highlights der Ausstellung „Agon! La competició a l'antiga Grècia" (Wettkampf! Der Wettstreit im ­alten Griechenland), die seit vergangenem Donnerstag im CaixaForum in Palma gezeigt wird. Zu sehen sind 160 Skulpturen, Reliefe und Objekte aus dem Fundus des British Museum in London. „Manche der Ausstellungsstücke sind seit über hundert Jahren nicht mehr gezeigt worden", sagt Higgs, der die Schau zusammengestellt hat.

Sport, Krieg, Sieg

Im Mittelpunkt stehen Sport und Krieg, Olympia kommt ebenso vor wie der Trojanische Krieg. Ein verbindendes Element ist Nike, die Göttin des Sieges. Ein weiteres die vielen nackten Männer: „Die Griechen betrachteten den Körper als ein Geschenk der Götter", erklärt Higgs. „Deshalb haben sie sehr auf ihn geachtet und hatten großes Interesse daran, ihn so häufig wie möglich darzustellen." Für die Frauen galt dieser Körperkult nur bedingt: „Sie hatten ihre eigenen Wettbewerbe, wurden aber seltener abgebildet." Nur eine Figur der mythischen Atalante, der jungfräulichen Jägerin, die jeden potenziellen Bräutigam zu einem Laufduell herausfordert, ist in der Ausstellung zu sehen. Ein kleineres Kapitel ist auch dem Wettstreit in den Künsten gewidmet, etwa in den oft parallel zum sportlichen Kräftemessen dargebotenen Theater-Aufführungen und musikalischen Einlagen.

Kräftemessen im Alltag

Dabei beschränkt die Ausstellung den Wettkampfbegriff nicht auf Sport und Krieg, sondern zeigt auch, wie die Menschen im Alltag konkurrierten. Etwa durch Statuen, die sich verdiente Bürger aufstellen ließen. Erneut treten hier die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zutage. Während die Männer sich meist ohne besondere begleitende Merkmale darstellen ließen, stellten die Frauen vor allem Materielles zur Schau. So waren die Statuen häufig mit echtem Schmuck versehen. Auch die nur noch selten erhaltene bunte Bemalung machte ihre Figuren besonders

lebensecht.

Den ultimativen Wettkampf innerhalb der Gesellschaft lieferten sich die Griechen im Tod. Die Ausstellung zeigt eine kleine Sammlung an Grabsteinen und - ein weiteres Highlight der Schau - ein Relief aus dem gigantischen Grabmal des Regenten Maussolos. Es stand in Halikar­nassos (dem heutigen Bodrum in der Türkei) und gehörte zu den sieben Weltwundern der Antike. Von diesem Grabmal leitet sich auch der Begriff Mausoleum ab.

Am stärksten ist die Ausstellung an den Stellen, wo der Wettkampfgedanke in Details aufscheint. Etwa bei einem kleinen, vasen­artigen Gefäß, das im ersten Stock des ­CaixaForums ausgestellt ist. Zu sehen sind zwei Jungen, die mit Knochen spielen. Einer der Jungen ärgert sich über seinen Spielkameraden und schubst ihn weg. „Die Griechen ­legten Wert darauf, dass man beim Spielen lernt, Wut und Aggressionen zu kanalisieren", sagt Higgs, der selbst Vater von zwei Jungen ist. „Außerdem sieht man hier, dass die Griechen auch nicht viel anders waren als die Menschen heute." Das gelte übrigens auch in noch anderer Hinsicht: „Natürlich gab es auch damals Stars und Prominente", sagt Higgs. „Die Leute wollten sich genauso kleiden und frisieren wie sie."

Langfristige Kooperation

Die Ausstellung, die zuvor in Barcelona, Madrid, Sevilla und Zaragoza zu sehen war, ist Teil einer langfristigen Zusammenarbeit: Das British Museum kooperiert seit 2015 mit der Stiftung der Bank La Caixa, die derzeit noch in sieben weiteren spanischen Städten Kulturzentren wie das in Palma betreibt. Damals vereinbarten beide Seiten bis 2020 insgesamt vier Ausstellungen mit Werken aus dem Fundus des British Museum. „Agon!" ist die einzige davon, die in Palma Station macht.

Mitte des Jahres ­erweiterten die Stiftung und das Museum die Zusammen­arbeit auf fünf weitere Ausstellungen zwischen 2020 und 2024. Zwei davon sollen auch nach Mallorca kommen: eine Schau über die Darstellung des menschlichen Körpers in der Kunstgeschichte der vergangenen 3.000 Jahre (2022) sowie eine weitere mit einer Auswahl von Werken aus der Sammlung des ­British Museum mit Kunst aus dem pazifischen Raum (2024).

„Agon! La competició a l'antiga Grècia", CaixaForum, Plaça de Weyler, 3, Palma, Mo.-Sa. 10-20 Uhr, So. 11-14 Uhr, Eintritt: 5 Euro, Kunden von La Caixa: 2,50 Euro. Bis 31.3.2019