Man kann den Mallorquinern nicht vorwerfen, sie wären nicht in der Lage, immer wieder kuriose Traditionen zu erschaffen. Das zu Mariä Himmelfahrt stattfindende Volksfest in Rosa - der Muc in Sineu - ist mit 15 Jahren eines der jüngsten Beispiele. Aber auch das traditionelle Entenwerfen in Can Picafort ist „nur" knapp 80 Jahre alt. Und die meisten Feste, auf denen heutzutage dimonis, die mallorquinischen Teufel, wuseln, stammen aus der Zeit nach der Diktatur.

In diese Reihe passt auch das jährlich zum Dreikönigstag unterhalb der Kathedrale in Palma de Mallorca inszenierte Theaterstück „L'adoració dels tres Reis d'Orient". Der Autor Llorenç Moyà hatte es Mitte der 60er-Jahre auf Basis mittelalterlicher Theaterstücke geschrieben. 1985 ließ es der damalige Bürgermeister von Palma, Ramón Aguiló, am 6. Januar erstmals wieder aufführen. Drei Jahre später hatte man eine andere Idee: Was, wenn nicht ausgebildete Schauspieler, sondern Politiker, Journalisten und andere Menschen des öffentlichen Lebens die Rollen übernehmen?

Jedes Jahr anders

Und so wurde die „Adoració" das, was sie heute ist: ein im Versmaß gehaltenes Satirestück. Die Handlung entspricht grob der des Stücks von Llorenç Moyà: Die drei Könige besuchen zunächst den Palast von Herodes, der mit einiger Tobsucht auf die Nachricht der Geburt eines anderen Königs reagiert. Erst dann machen sie sich auf, das Kind zu begutachten. Der Originaltext wird dabei von den Akteuren mit vielen morcillas genannten Spitzen gegen die politischen Rivalen und Verweisen auf aktuelle Themen verändert, wodurch das Stück Jahr für Jahr zu einem anderen wird und immer Überraschungen parat hält.

Ausgeteilt wird parteiübergreifend: Die Hauptrolle spielt in diesem Jahr Joan Carles Palos, der Sprecher des Bürgermeisters. Dafür übernimmt der Stadtrat Josep Lluís Bauzá von der Partei Ciudadanos die Rolle des Königs Melchior. Der Sprecher der Umweltorganisation GOB, Amadeu Corbera, spielt den Balthasar. Die ehemalige Polizistin und Podemos-Kandidatin für den Stadtrat, Sonia Vivas, mimt den Caspar. Insgesamt werden 24 Rollen vergeben, neben den Königen unter anderem ein Engel, der Teufel, mehrere Angestellte der Königin und die Figur der Sibylle, die man aus der Weihnachtsmesse kennt.

Im vergangenen Jahr ging es vor allem um die Krise in Katalonien und die Politik des ehemaligen Ministerpräsidenten Rajoy. 2019 sollen unter anderem die zweifelhafte akademische Ausbildung von manchem spanischen Politiker zur Sprache kommen, aber auch der Schutz des Neptungrases und die wieder­erstarkte Frauenbewegung. Die jeweiligen Witzeleien und Späße spiegeln sich auch in den Kostümen wider, die seit 25 Jahren den Laiendarstellern vom Modeschöpfer Rafel Pizarro auf den Leib geschneidert werden.

Wie jedes Jahr wird die „Adoració dels tres Reis d'Orient" auf Katalanisch dargeboten und am 6. Januar um 12.30 Uhr im Kulturzentrum Ses Voltes, unterhalb der Kathedrale, aufgeführt. Sollte es regnen, wird das Stück kurzerhand in das städtische Teatre Xesc Forteza (Plaça Miquel Maure, 1) verlegt. In dem Fall gilt aufgrund der begrenzten Platzzahl: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Der Eintritt ist in beiden Fällen frei.

Klassiker in Deià

Nicht nur Palma kennt eine „Adoració". Auch in Deià wird das Drei-Königs-Stück seit 2017 wieder gespielt, in einer Version, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht und bis dahin 1932 zuletzt aufgeführt wurde. Mitverantwortlich für die Wiederbelebung war Lluís Apesteguia, Kabinettschef im Tourismusministerium. Auf den Tipp eines Priesters hin fand er im Pfarrhaus des Tramuntanadorfes drei Manuskripte der Originalversion, die er zusammen mit der Regisseurin Blanca Ballester zum heutigen Stück kombinierte.

Mit Erfolg, denn die Deià-Version geht in diesem Jahr erstmals auf Tournee. Am 3.1. kann man es um 20 Uhr in Mancor de la Vall sehen, tags darauf um 20.30 Uhr in Binissalem, bevor es am Dreiköngistag zur Mittagszeit wieder in Deià zur Aufführung kommt