Nahaufnahmen von toten Kindern mit Einschusslöchern im Kopf, Familien, die in Ruinen hausen, vor Schmerz schreiende Angehörige von Todesopfern. Der Kurzfilm „Gaza" des mallorquinischen Regisseurs Carles Bover und dem aus der Nähe von Madrid stammenden Julio Pérez del Campo zeigt ohne Beschönigung die Auswirkungen des Konflikts zwischen Israel und Palästina auf das Leben der Bevölkerung im Gazastreifen. Am Samstag (2.2.) erhielten Bover und Pérez del Campo für die 18-minütige Dokumentation den wichtigsten spanischen Filmpreis, den Goya.

In der Dankesrede sagte Pérez del Campo, man widme den Preis jenen, die den Kampf des palästinensischen Volkes austrügen. Er forderte dazu auf, Länder nicht anzuerkennen, die systematisch Menschenrechte verletzten, verurteilte die „israelische Apartheid" und rief zum Ausschluss Israels beim Eurovision Song Contest auf.

Protest von Rechtsextremen

Die Reaktionen ließen nicht lang auf sich warten. Bereits im Vorfeld hatten israelische Interessensverbände die Organisatoren des Filmpreises aufgefordert, „Gaza" von der Liste der Nominierten für die beste Kurz-Dokumentation zu streichen. Und erst am Freitag hatte das Erzbistum Madrid auf Druck dieser Verbände die Ausstrahlung des Films in einer Gemeinde verboten, die vielen Flüchtlingen, darunter auch aus Palästina, Schutz bietet.

Neben Websites wie enlacejudio waren es vor allem konservative und rechtsextreme Plattformen, die sich über die „Schande" aufregten, bei der Goya-Verleihung „Antisemiten" auszuzeichnen. Das musste unter anderem der balearische PP-Chef Biel Company ausbaden. Er hatte den Filmemachern und der balearischen Filmszene in einem Tweet gratuliert - neben „Gaza" war auch der Film „Kyoko" von Marcos Cabotá und Joan Bover in der gleichen Kategorie nominiert. Die doch eher selbstverständliche Gratulation sorgte für Empörung im rechten Lager.

Anklagen, aber wenig Kontext

Der Eindruck des Antisemitismus könnte auch damit zusammenhängen, dass „Gaza" zwar einen schonungslosen Blick auf die Situation der Menschen im Gazastreifen wirft, aber nicht den Kontext des Konflikts liefert.

Der Film ­zeigt nacheinander drei Protagonisten. Einen Bauern direkt an der Grenze zu Israel, eine Mutter, deren behinderte Tochter von Soldaten mit mehreren Schüssen ermordet wurde und ein Krankenhausleiter, der ein schwer traumatisiertes Kind besucht. Unter welchen Umständen es zu den Angriffen kam, erklären die Filmemacher nur ansatzweise. Zugleich räumen sie den Protagonisten nur wenig Raum ein, um über sich und ihre Leben zu berichten.

So bleibt es größtenteils bei der Anklage eines tatsächlich unermesslichen Leids, und es sieht danach aus, dass die spanische Filmakademie weniger eine cineastische als eine politische Entscheidung getroffen hat. Die Versuche, den Film zu zensieren, könnten dabei eine Rolle gespielt haben.

Inklusion und Korruption

Ohnehin zeigten sich die Goyas bei ihrer 33. Ausgabe politisch ziemlich korrekt. Den Preis für den besten Film gewann die mit behinderten Schauspielern gedrehte und auch beim Publikum sehr erfolgreiche Komödie „Campeones". Darsteller Jesús Vidal bekam den Preis für den besten Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet.

Gleich sieben Preise, bei 13 Nominierungen, konnte das Korruptionsdrama „El reino" verbuchen, darunter die für Rodrigo Sorogoyen in der Kategorie beste Regie und für Antonio de la Torre als bester Schauspieler. Susi Sánchez gewann den Preis als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle im Familiendrama „La enfermedad del domingo".

„Gaza" ist auf der spanischen Online-Plattform www.filmin.es für 95 Cent zu sehen