Routiniert reißt Jaume Melis die kleinen Eintrittskarten von der Rolle. „Fünf Euro jeweils, bitte", sagt er. Bereitwillig legt ein Pärchen den gewünschten Betrag auf die Theke und geht dann in Richtung Saal des Theaters von Capdepera im Nordosten von Mallorca. Seit rund zwölf Jahren organisieren Melis und seine Mitstreiter vom CCC hier Kino. CCC steht für „Cultural Cinema Capdepera", die Vereinigung, die ohne Gewinnabsichten (fast) aktuelle Filme auf die Leinwand bringt. Denn kommerzielles Kino lohne sich auf dem Dorf schon lange nicht mehr, in Zeiten der ­großen Ketten. „Das war früher mal anders."

Melis muss es wissen. 27 Jahre lang bis 2002 betrieb sein Vater Bartolomé das kleine Privatkino „Juva" in Cala Ratjada. „Es war wohl dasjenige, das hier in der Gegend am längsten durchgehalten hat", so Melis. Fast jedes Dorf hätte damals sein eigenes kleines Kino gehabt, aber alle anderen knickten früher ein, als Ende der 1990er-Jahre in Manacor das große „Afi­cine" mit seinen sieben Sälen eröffnete. „Mein Vater konnte das ,Juva' noch drei, vier Jahre ­halten, dann war es auch für ihn vorbei."

Fünf Jahre später gründeten Vater und Sohn gemeinsam mit einer Handvoll anderer Filmbegeisterter die CCC und paktierte mit dem Rathaus, um das Theatergebäude mehrmals die Woche für ihren Zweck nutzen zu dürfen. „Wir mögen Filme und wir mögen Kino. Hier können wir das ausleben." Regelmäßig treffen sich die Mitglieder und entscheiden, welcher der aktuell anstehenden Filme infrage kommt und welcher nicht. Etwa sechs bis sieben Erstveröffentlichungen kommen jede Woche auf den Markt, in Capdepera ist aber nur Kapazität für ein oder zwei Filme. „Wir orientieren uns am Mainstream und suchen nur Filme für Kinder oder Erwachsene aus. Jugendliche versuchen wir erst gar nicht anzusprechen, die zieht es ohnehin in die großen Kinos." Auch alternatives Programmkino nimmt man nicht. „Das funktioniert nur in Großstädten."

Heute steht „El Reino" auf dem Programm - ein spanisches Drama über Korruption. Im ganzen Ort weisen Plakate darauf hin. „Voll wird es heute nicht", ist sich Melis mit Blick auf die Uhr sicher. 18.40 Uhr, in 20 Minuten geht es los, aber ist es ruhig am Kartenschalter. „Ich schätze auf etwa 50 Zuschauer heute und 50 bei der Vorstellung morgen Abend", so ­Melis. Normalerweise fülle man durchschnittlich 140 der 200 Sitzplätze des Theaters. „Aber heute ist die Goya-Verleihung und ,El Reino' hat 13 Nominierungen, da müssen wir ihn einfach bringen."

7.500 Zuschauer zählte das CCC im vergangenen Jahr insgesamt - mehr als je zuvor. „Vielleicht, weil wir erstmals auch ein paar Filme zeitgleich mit den Großen gestartet haben." Das habe allerdings seinen Preis. Je nach Film und Zeitpunkt müsse das CCC zwischen 200 und 1.500 Euro für die Vorführungsrechte zahlen. Und auch die Digitalisierung habe ihren Preis. Als das Kino im Theater im Jahr 2007 startete, setzte man noch auf den 35-Millimeter-Projektor aus dem alten „Juva". „Aber Ende 2012 mussten wir einen digitalen Projektor anschaffen. Mitten in der Krise war das schon happig." 50.000 Euro blätterten die Filmfreunde für die Maschine hin, die der in richtigen Kinos in nichts nachsteht und im Regieraum des Theaters aufgebaut ist. Auch das Sound­system „Dolby Digital X" lässt sich sehen. „Und Werbung gibt es bei uns auch nicht, es hat also viele Vorteile, die Filme bei uns zu schauen", so Jaume Melis.

Mittlerweile hat er doch eine ganze Reihe Menschen eingelassen, einige - die Stammzuschauer, die regelmäßig kommen - hat er mit Namen begrüßt, andere kommen zum ersten Mal und freuen sich über den günstigen Eintrittspreis. Auch sein Vater Bartolomé ist da, so, wie fast jedes Mal. Er halte sich mittlerweile lieber im Hintergrund, wenn es um Kontakt mit der Presse gehe, verpasse aber ungern einen Film.

Auch Jaume Melis setzt sich oft mit ins Theater, wenn das Licht gedimmt und die Eingangstür verschlossen ist. Wenn die ersten Trailer für andere Filme gelaufen sind und der Hauptfilm auf der Sieben-mal-drei-Meter-Leinwand beginnt, vergisst man schnell, dass man sich eigentlich in einem Theater mit eher praktischen denn kuscheligen Sitzreihen befindet. „Und das Popcorn fehlt", sagt Jaume Melis leise . Das höre er immer wieder, aber das Rathaus, das im Anschluss für die Reinigung zuständig ist, lasse da nicht mit sich reden. Immerhin - das lästige Geraschel von hinten fällt auch weg.