Es gibt Liebesbeziehungen, die lassen sich nicht rational erklären. Jene der Deutschen zu Tomatensaft im Flugzeug etwa. Oder die des britischen Pianisten James Rhodes zu Spanien. Seine 2015 in spanischer Übersetzung erschienene Autobiografie „Instrumental" ging hierzulande über 100.000 Mal über den Ladentisch, demnächst erscheint die 14. Auflage. Darin schildert Rhodes, der am Samstag (23.2.) im Kongresszentrum in Palma auftritt, nicht nur seinen musikalischen Werdegang und seine Liebe zur Musik von Johann Sebastian Bach, sondern auch den sexuellen Missbrauch, dem er als Kind jahrelang zum Opfer fiel.

Seit der 43-Jährige Mitte 2017 nach Madrid zog, ist er in Spanien zudem zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden. In der Late-Night-Show „Late Motiv" des bekannten Moderators Andreu Buena­fuente ist er mittlerweile Teil des Ensembles. Alle paar Wochen kommt er rein und erzählt aus seinem Leben. Bei der Verleihung der spanischen Goya-Filmpreise Anfang Februar begleitete er den „In Memoriam"-Teil des Abends auf dem Klavier.

Die besten neuen spanischen Wörter

Er schreibt Artikel für „El País" und lässt über die sozialen Medien keine Gelegenheit aus, um sich über das Land und die spanische Sprache zu freuen. In unregelmäßigen Abständen etwa veröffentlicht er Listen, in denen er seine liebsten neu gelernten Worte im Spanischen inklusive englischer Übersetzung aufzählt. Manche lässt er sogar auf T-Shirts drucken, etwa „tiquismiquis" (etepetete). Vergangene Woche schickte er einen Videogruß an seine Fans auf Mallorca. Er freue sich, auf die Insel zu kommen. Er werde ein paar ensaïmadas essen und Chopin spielen.

Das alles mag ein wenig kindisch und naiv wirken, aber Rhodes Freude an Spanien in seiner ganzen kulturellen Vielfalt ist ein erfrischender Kontrapunkt zu dem erdrückenden nationalistischen Bild dieses Landes, das rechte Parteien in den vergangenen Wochen propagiert haben. In gewisser Weise ist das Spanien von James Rhodes das Land, das man hätte, wenn die ganzen ideologischen Grabenkriege nicht wären.

Die Sache mit der Politik

Und doch ist Rhodes mehr als nur ein etwas überenthusiastischer Neu-Resident. Denn der Pianist mischt sich ein. Und er nutzt seinen Promistatus und sein Charisma, um Politik zu machen. Mit teils kuriosen Ergebnissen: Im September vergangenen Jahres etwa veröffentlichte er in „El País" einen Artikel, in dem er ein Gesetz zum Schutz der Kinder vor Missbrauch forderte. Keine 24 Stunden später empfing ihn Ministerpräsident Pedro Sánchez, um mit ihm über das Thema zu sprechen.

Als das Parlament in Madrid vergangene Woche den Haushalt ablehnte und damit auch das darin vorgesehene Budget für Maßnahmen zum Kinderschutz verfiel, postete Rhodes wütende Botschaften in Richtung der Parteien, die gegen den Haushalt gestimmt hatten. Er bezichtigte sie, Komplizen der Kinderschänder zu sein. Seine Einmischung in politische Angelegenheiten bringt ihm mittlerweile auch Kritik in verschiedenen spanischen Medien ein.

Laxer Umgang mit Schimpfworten

Ansonsten aber konzentriert sich Rhodes auf das, was er am besten kann: Klavier spielen. Wie wenige andere Interpreten schafft er es, junges Publikum in seine Konzerte zu locken. Das liegt nicht nur am Umstand, dass er in Jeans und T-Shirt auf der Bühne erscheint und einen recht laxen Umgang mit Schimpfwörtern hat (nun auch im Spanischen). ­Rhodes nutzt seine Konzerte, um über seine Liebe zur Musik zu erzählen. Wenn er über den Werdegang eines Komponisten spricht oder über dessen Motivation für das Stück referiert, dann klingt das weniger, als würde er über einen erhabenen Halbgott sprechen, sondern mehr über einen Saufkumpan. ­Rhodes lebt die Musik. Bach habe ihm das Leben gerettet, schreibt er in „Instrumental". „Und ich liebe das Leben." In Spanien sogar noch mehr.

James Rhodes, Kongresszentrum Palma, 23.2., 19 Uhr, Eintritt 12,20 bis 35 Euro, Tickets unter tickets.janto.es