Man müsse nah an die Bilder herantreten, sagt Pilar Bonet. „Ich weiß, dass es gegen unseren Instinkt ist, wie man sich in einem Museum verhält. Aber wenn wir uns den Werken nicht nähern, können wir nicht all ihre Details wahrnehmen." Die Kuratorin hat die jüngste Ausstellung „Alma. Mèdiums i visionàries" (Seele. Medien und Visionärinnen)" mit Arbeiten von Outsider-Künstlerinnen zusammengestellt.

Es handelt sich um die dritte monothematische Ausstellung, die im Kellerraum des Museums gezeigt wird, und es ist die letzte große Schau unter der Ägide der scheidenden Museumsdirektorin Nekane Aramburu. Im Gegensatz zu den Vorgängern „Ciutat de Vacances" (über Tourismus in der Stadt) und „Ells i nosaltres" (über das Verhältnis von Mensch und Tier) ist diese Ausstellung weniger bunt, weniger laut und alles in allem weniger bombastisch. Die Arbeiten nehmen den Raum

weniger ein.

Kunst ohne Kunsthochschule

Die hier gezeigten Künstlerinnen haben keine Ausbildung hinter sich. Ihre Bilder waren nicht fürs Museum oder für eine Galerie bestimmt. Die Werke sind entstanden aus einem Drang, sich auszudrücken, ein Trauma zu verarbeiten, erdrückende Gefühlswelten zu kanalisieren. Die Künstlerinnen arbeiteten nicht in einem Atelier, dafür häufig mit Materialien, die sie zur Hand haben. Ölfarben sind selten dabei, schon eher griffen sie zu Bunt- und Bleistiften. Was dem professionellen Künstler die Leinwand ist, kann den hier gezeigten Frauen die Rückseite einer Schokoladenverpackung sein.

Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie vor dem Ende des Ersten Weltkrieges geboren wurden. Mit Ausnahme der Spanierin Josefa Tolrà stammen sämtliche Künstlerinnen zudem aus Mitteleuropa. Ihre Biografien unterscheiden sich dennoch gewaltig. Die im Jahr 1893 geborene Deutsche Clara Schuff etwa flüchtete im Zweiten Weltkrieg in die USA und wurde Wahrsagerin für Stars wie Jimi Hendrix. Die Polin Hélène Reimann, gleicher Jahrgang wie Schuff, versteckte sich ebenfalls vor den Nationalsozialisten, verbrachte aber ab 1949 fast 40 Jahre in einer geschlossenen Psychiatrie in Bayreuth.

Andere Planeten und Bewusstseinszustände

Gewisse Motive wiederholen sich in vielen der Arbeiten. Stichwort Spiritualität: Die Künstlerinnen wünschen sich auf andere Planeten, sehnen andere Bewusstseinszustände herbei. Auch florale Motive kommen häufig vor, sind aber weniger Abbild tatsächlich existierender Pflanzen als Blumen der Fantasie. Von den Konventionen der Kunstakademien unberührt kombinieren die Künstlerinnen das gezeichnete oder gemalte Bild mit anderen Elementen wie Text oder Stickereien.

Es ist das erste Mal, dass Outsider-Arbeiten in einem spanischen Museum unter Gender-Aspekten gezeigt werden. Die Werke stammen sowohl aus Institutionen wie dem Museum für Moderne Kunst LaM in Lille als auch aus privaten Sammlungen, wie jener von Gerhardt und Karin Dammann aus der Schweiz, einer der größten Europas für Art Brut und Außenseiter-Kunst. Karin Dammann war eigens für eine anlässlich der Ausstellungseröffnung veranstaltete Tagung nach Palma gereist. „Für die meisten Outsider-Künstler wird ihre Arbeit zur Besessenheit", sagt sie.

Flucht und Segen zugleich

Karin Dammann und ihr Mann sammeln seit über 20 Jahren Kunst . „Outsider-Kunst ist heute ein eigener Markt", sagt sie. Sie schätze besonders das „Rohe" in den Arbeiten. Wie für andere Kunstrichtungen auch gebe es spezialisierte Galerien und Messen. „Das ist ein Fluch und ein Segen zugleich. Zum einen gibt es die Möglichkeit, dass die Werke solcher Künstler in Ausstellungen in einem internationalen Museum wie Es Baluard gezeigt werden. Zum anderen wird aber auch mit diesen Arbeiten gehandelt."

Alma. Mèdiums i visionàries, Es Baluard, bis 2.6.