In diesem Jahr könnte es eng werden auf der Bühne im Castillo Son Vida bei der Preisverleihung für den „Europäer des Jahres", eine Auszeichnung, den die Vereinigung Ciudadanos Europeos bereits seit knapp 20 Jahren an Menschen vergibt, die sich auf der Insel um die europäische Idee verdient machen. Diesmal ist es nicht nur ein „Europäer", diesmal sind es gleich 60. Die Auszeichnung bekommt der Chor Capella Mallorquina unter der Leitung des Dirigenten José María Moreno.

Das international angesehene Ensemble und gleichzeitig wohl der bekannteste Chor der Insel tritt seit Jahrzehnten auf hohem musikalischen Niveau mit seinen mallorquinischen Liedern, großen Requien oder Opern auch europaweit auf. „Schon deshalb war der Chor für uns ein idealer Preisträger", sagt Joachim Wagner, Präsident der Ciudadanos Europeos. „Dieser Chor bringt die Nationen wirklich zusammen".

José María Moreno unterstreicht gegenüber der MZ den internationalen Charakter seines Ensembles. „Wir haben zurzeit 60 Sänger, darunter unter anderen einige Argentinier, Uruguayer, zwei Deutsche, drei Russen, eine Holländerin, eine Weißrussin und einen Bulgaren." Dass seine Capella Mallorquina den Preis bekommt, erfülle ihn mit „Stolz und Dankbarkeit".

Die Auszeichnung kommt auch für Moreno im richtigen Moment. Seit exakt 20 Jahren leitet er das 1966 vom späteren Domkapitular Bernat Julià gegründete Ensemble. Moreno übernahm die Leitung direkt von Juliá, der im Jahr 2013 starb. Der damals erst 27 Jahre alte Mallorquiner hatte bereits seit seinem 15. Lebensjahr Erfahrungen als Solist und Dirigent unter anderem im Jugendchor des Teatre Principal oder auch des Opernchores gesammelt. Los ging es damals mit gerade einmal 25 Sängern, allesamt von der Insel, die Auftritte fanden zu Beginn ausschließlich auf Mallorca statt. Das Auftaktkonzert am 8. Juni 1966 stieg im königlichen Almudaina-Palast gegenüber der Kathedrale. Inzwischen hat der Chor mehr als 1.500 Konzerte hinter sich, vor allem auf Mallorca, aber auch in Ländern wie Russland, den USA, der Türkei, Ägypten, China, Kuba und nicht zuletzt Deutschland.

Mehr als 1.000 Werke umfasst das Repertoire. „Eine wichtige Mission der Capella Mallorquina ist, die typisch mallorquinischen Volkslieder am Leben zu erhalten und möglichst einem breiten Publikum zu präsentieren", sagt Moreno. Damit meint er nicht so sehr die Mallorca-Hymne „La balanguera", sondern die Lieder, die traditionell auf dem Feld bei der Ernte oder der Saat gesungen wurden. „Sie sind von Generation zu Generation weitergegeben worden und gehen sonst verloren." Viele der Lieder klängen für unsere Ohren orientalisch. Was kein Wunder sei, schließlich war die Insel über Jahrhunderte von der Maurenherrschaft geprägt. „Und das hat sich natürlich auch in der Musik niedergeschlagen", erklärt Moreno.

Moreno bedauert, dass auf seiner Heimatinsel niemand vom Chorgesang leben kann. Vom Niveau sei die Capella Mallorquina durchaus ein professioneller Chor, eine musikalische Vorbildung ist für die Mitglieder ein Muss. Allein es fehlt an finanzieller Unterstützung der öffentlichen Hand. „In Deutschland hat jede Stadt in der Größe von Palma einen Chor, der von der Stadt oder dem Bundesland finanziert wird", sagt er. Während die Kollegen in Deutschland jeden Tag zusammenkommen, könne die Capella Mallorquina nur zwei- bis dreimal in der Woche proben, weil die meisten Chormitglieder arbeiteten. Immer seltener ist Moreno selbst bei den Proben dabei. Seine Karriere als Orchester­dirigent lässt ihm immer weniger Zeit für die Capella Mallorquina. „Aber ich habe in José Martínez einen ausgezeichneten Vertreter", sagt Moreno. Martínez hat am Konservatorium in Barcelona Chorleitung studiert und vertritt als stellvertretender Leiter Moreno in dessen Abwesenheit.

Bei der Preisverleihung am 10. Mai aber wird Moreno genauso wie der überwiegende Teil der Capella am Start sein. „Wir haben uns vorgenommen, möglichst alle zu kommen. Auch, weil wir an dem Abend ein Konzert mit einem breiten Querschnitt unseres Repertoires geben", verspricht Moreno. Und natürlich mit viel europäischem Liedgut.